Leserbrief von Hans-Florian Hoyer zum Artikel von Bernhard Steiner ‹Negativzins – als ob gewisse Tiere juckten›, Goetheanum Nr. 35, 30.8.2019.
Mit der unerkannten Tributpflicht hat der Artikel Anstoß gegeben, Bewusstsein darauf zu lenken, wie wir im Geld in einer Zirkulation verbunden sind, die aus sich heraus nicht sozial heilsam wirkt. Für das Thema Negativzins hält sich die Aufklärung jedoch in Grenzen.
Das ‹Publikum›, wie Kunden auch gerne von Großbankern bezeichnet werden, ist sich nicht darüber im Klaren, was alles an Zinsen und Sonstigem in die Preise, die es zahlt, einkalkuliert ist. Margret Kennedy und andere haben immer wieder darauf hingewiesen. Es ist sicher auch den wenigsten klar, dass aus den gezahlten Preisen am Ende die Einkommen für das Leben der anderen werden.
Der Floh im Ohr heute ist die fixe Idee, man sei Selbstversorger in Geld und Geld sei immer noch so etwas wie zu Zeiten der Metallwährung – nur bequemer, weil bargeldlos. Deswegen fühlt sich der Zeitgenosse nicht gebissen, wenn er hört: «Wer Geld bei der Bank parkt, muss dafür bezahlen.» Im Parkhaus zahlt er ja schließlich auch. Das Reden, Lesen und Denken des Publikums über Geld vollzieht sich leider in Bildern, die der Realität dessen, was ein Zahlungsmittel ist, nicht nur nicht mehr gerecht werden, sondern diese geradezu verhüllen. Das stoffliche Handling wird fälschlicherweise auf Buchgeld übertragen. Das Geld ist ‹auf› dem Konto geparkt und wird von dort auf ein anderes Konto überwiesen. Wenn das Gehalt ‹auf› dem Konto ankommt, wird es im Auszug vermerkt.
Dem Umschwung von der Geldwirtschaft zur Kreditwirtschaft werden die allgemeinen Vorstellungen jedoch nicht mehr gerecht. Rudolf Steiner weist 1920 auf eine besondere Wirtschaftsmetamorphose hin. Der Geldverkehr, das Geldleihen und der damit im Zusammenhang stehende Kredit seien seit 1810 etwa zum wirtschaftlich Herrschenden geworden.(1) Zu dieser Zeit wurde eigentlich das Bankwesen Herrscher im wirtschaftlichen Leben, und das Geld ist zu einem wirklichen Abstraktum geworden.(2) Im Gegensatz zum immer noch kursierenden Bargeld ist das Buchgeld ‹auf› dem Konto von einem Depositum zu einer bloßen Forderung an die Bank geworden.
‹Bankgeschäfte sind [u. a.] die Annahme fremder Gelder als Einlagen›, heißt es im Kreditwesengesetz. Es wird Einlagengeschäft genannt, obwohl nichts irgendwo drin liegt. Das fremde Geld wird zum Zahlungsmittel der Bank. Für den Kunden handelt es sich real um einen ungesicherten Kredit, den er der Bank gegeben hat. Mit ihrem Geld in der Kasse kann sie tun, was ihr Ertrag bringt, und den Kunden in Maßen daran beteiligen. Der Kunde hat das Geld nicht geparkt, er hat das Auto abgegeben gegen das Versprechen, bei Bedarf Mobilität zu bekommen.
Dass nun Banken dafür, dass sie einen Kredit aufgenommen haben, von dem Kreditgeber auch noch Geld fordern, ist ein Biss, der zu einem Aufwacherlebnis führen sollte. Dass Banken mittlerweile auch etwas dafür zahlen, wenn man bei ihnen Kredit aufnimmt, ändert prinzipiell nichts daran. Bankkunden müssten den Drang verspüren, sich bankkundiger zu machen.
Die gemeinsame Arbeit an einer nötigen Geldwende kann nur auf der Umwandlung der Münzbegrifflichkeit beim ‹Publikum› beruhen, um zur Realität der Kreditwirtschaft durchzustoßen. Dazu gehört auch eine besondere Aufmerksamkeit auf die Sprache und die Bilder, die ich der Wochenschrift gerne ans Herz legen möchte. Hans-Florian Hoyer
(1) GA 337b, 13. September 1920.
(2) GA 337a, 15. September 1920.
Der Artikel von Bernhard Steiner ‹Negativzins – als ob gewisse Tiere juckten› können Sie hier lesen.
Bild: Detailausnahme von ‹Der Geldwechsler und seine Frau›, Quantin Massys, Öl auf Holz, 70,5 cm x 67 cm, 1514, Louvre