Das Zentrum Dr. Rudolf Steiner ist eine touristische Attraktion im kroatischen Međimurje. Andrea Valdinoci, Geschäftsführer der World Goetheanum Association, sprach mit der Gründerin Dijana Posavec über die Entstehung des Zentrums, dessen Auftrag und einen Blick in die Zukunft.
Andrea Valdinoci: Wo kommst du her und was ist dein Hintergrund?
Dijana Posavec Ich wurde in Kroatien geboren und lebe hier an der Grenze von slawischer, germanischer und keltischer Kultur in der Region Međimurje, wo Rudolf Steiner geboren wurde. Nachdem ich meinen Hochschulabschluss in Grafikdesign gemacht hatte, arbeitete ich beim größten Verlag in Kroatien. Das war während des Krieges. Ich leitete zehn Jahre lang die Designabteilung. Ich habe auch einen Master in Informations- und Kommunikationswissenschaften. Mein Interesse an spiritueller Geisteswissenschaft entwickelte sich parallel dazu und ich habe ein Unternehmen gegründet, das in Kroatien Veranstaltungen für spirituell interessierte Menschen und Lebensberaterinnen und -berater aus der ganzen Welt organisiert. Fast 30 Jahre lang sammelte ich Erfahrungen im Bereich persönlicher Entwicklung. Gleichzeitig war ich Gastdozentin an verschiedenen Universitäten und wurde zum Thema Bio- und biodynamische Gütesiegel promoviert. In den letzten neun Jahren war ich die Leiterin des Centar dr. Rudolfa Steinera, das nahe zu Steiners Geburtshaus in Donji Kraljevec liegt.
Wie bist du mit Anthroposophie in Kontakt gekommen?
Ich bin in der Regionalpolitik aktiv. 2005 war eines meiner Projekte, als stellvertretende Gouverneurin einen Waldorfkindergarten – den ersten in unserer Region – zu eröffnen und im Anschluss daran das Zentrum Dr. Rudolf Steiner in der Nähe seiner Geburtsstätte zu gründen und Unterstützung dafür zu finden, mit dem Ziel, es weltweit bekannt zu machen. Seit dieser Zeit bin ich an Anthroposophie interessiert und erkunde Rudolf Steiners Hintergrund und Wissensschatz. Wäre ich nicht in der Politik gewesen, wäre ich dem vielleicht nie begegnet! Man weiß nie, wohin der Weg einen führt.
Wie hast du entdeckt, dass ein Waldorfkindergarten gut für deine Gemeinschaft wäre?
Zu dieser Zeit musste meine Tochter in den Kindergarten gehen. Also begann ich zu recherchieren, welches der Vorschulprogramme für mein Kind am besten wäre. Ich fand heraus, dass es überall auf der Welt Waldorfkindergärten gibt, aber nicht bei uns. Wir ermutigten und unterstützten eine Freundin, die bereits im Kindergarten arbeitete, die Waldorfausbildung zu machen. So gründeten wir die erste Waldorfgruppe in unserer Region: Es war eine Waldorfabteilung in einem staatlichen Kindergarten. Dann entdeckte ich, dass der Mann, der all dieses Wissen hervorgebracht hatte, nur wenige Minuten von meinem Arbeitsplatz entfernt geboren war. Ich hatte nie von Rudolf Steiner gehört. Aber über viele Jahre kamen viele Besucherinnen und Besucher, um sein Geburtshaus zu sehen. Mit dem Bürgermeister von Donji Kraljevec und der Unterstützung des Gouverneurs kamen wir auf die Idee, einen öffentlichen Ort zu Ehren Rudolf Steiners zu gründen; er sollte multidisziplinär sein und Wissenschaft, Kunst und anthroposophisch interessierten Tourismus vereinen. Wir brauchten Hilfe, um dieses Zentrum zu schaffen, und so begannen die Herausforderungen. Aber eine nach der anderen, und mithilfe eines guten Teams, verschwanden diese Herausforderungen, und heute, glaube ich, leisten wir tolle Arbeit.
War es eine politische Entscheidung, das Land zu kaufen, um das Zentrum mit ein wenig Geld von der Regierung zu gründen?
Ja, 2006 haben wir das Projekt im Stadt- und Landrat vorgestellt und es wurde entschieden, dass das Projekt bedeutsam sei und viel mehr Potenzial als nur in der lokalen Geschichte hätte, sodass öffentliche Gelder dafür eingesetzt werden konnten. Zu dieser Zeit gab es ein zerfallenes Postamt, in dem heute das Zentrum sitzt. So haben wir begonnen.
Und es war wirklich von Anfang an kofinanziert?
Das Projekt begann 2007 und wurde kofinanziert, bis wir 2017 mit dem Bau fertig waren. Wir fingen an mit der Unterstützung von Stadt und Landkreis sowie mit Spenden. Als Götz Werner erfuhr, dass wir dieses Projekt an Rudolf Steiners Geburtsort umsetzen wollten, gab er uns eine Spende für den Aufbau. Daniell Porsche hat uns am stärksten geholfen, um das Projekt fertigzustellen – wofür wir ihm sehr dankbar sind. Willy Gras gab uns die größte Spende mit der Architektur des Projekts. Ohne diese Spenden würde das Gebäude heute wohl ganz anders aussehen und nicht so einzigartig.
Was geschieht heute im Zentrum Dr. Rudolf Steiner?
Das Zentrum verwaltet das Geburtshaus von Steiner. Wir sind deshalb ein Zentrum für Besucherinnen und Besucher, die aus Kroatien und vielen anderen Ländern kommen. Manche bleiben eine kurze Weile und anderen bieten wir ein mehrtägiges Programm an. Wir veranstalten diverse Events für diejenigen, die mehr über Steiners Erbe wissen wollen. Wir bieten auch die Logistik an und helfen Menschen, die in dem Geburtshaus eine Veranstaltung organisieren möchten.
Wir konzentrieren unsere Arbeit auch sehr auf die biologisch-dynamische Landwirtschaft. Heute sind wir ein Anlaufpunkt für diese Landwirtschaft in Kroatien. Das regelmäßige Bildungs- und Fortbildungsangebot in biologisch-dynamischen landwirtschaftlichen Praktiken hat uns landesweite und internationale Anerkennung gebracht und macht uns zu einem gesuchten Projektpartner in Bezug auf umweltpolitische Maßnahmen, vor allem im Landwirtschafts- und Umweltschutzsektor. Wir arbeiten auch mit dem Tourismus- und Bildungsbereich zusammen, von Kindergärten, Schulen bis hin zu verschiedenen Universitäten, anderen Institutionen, Firmen, Höfen und Einzelpersonen.
Von der Idee am Anfang ist all das gewachsen – und du hast geholfen, es in die Welt zu bringen! Hast du in Kroatien Menschen gefunden, die offen für diese Gedanken sind?
Ich glaube, die Menschen sind ziemlich offen für neue Ideen und Erfahrungen. Natürlich ist es wichtig, einen Weg zu finden, wie man diese Ideen für sie präsentiert. Du musst glaubwürdig sein und selbst nach deinen Ideen leben. Meiner Erfahrung nach wächst das Interesse in diesem Teil der Welt vor allem am landwirtschaftlichen Bereich, an der Waldorfpädagogik und an der Eurythmie.
Was ist dein Erfolgsgeheimnis?
Es gibt kein Geheimnis! Es geht nur um Willen, Ideen, Arbeit und Durchhaltevermögen. Wie man sagt: fleißige Hände, ein offener Geist und ein bereitwilliges Herz. Das ist ein universelles Geheimnis, denke ich.
Was brauchst du für deine Initiative und was sind die zukünftigen Aufgaben und Probleme, mit denen du umgehst?
Wir möchten Steiners Ideen, Hinweise und sein zeitloses Wissen gern weiter verbreiten und die Inhalte für Besucher und Besucherinnen, die in seine Herkunftsregion kommen, aufbereiten, sodass sie erfüllt und sogar überrascht sein werden, wie wir auf der Basis dieses Wissensschatzes verschiedene Akteure in die Zusammenarbeit bringen. Für die Feier seines 100. Todestages 2025 möchten wir das Geburtshaus sanieren, das ständig Probleme mit Feuchtigkeit hat. Auch wurde uns vor Kurzem ein Teil der Bahnstation überlassen, in der Steiners Vater als Bahntelegrafist lebte und arbeitete. Damals wurde die erste Bahnstrecke in Kroatien gebaut. Wir würden aus dem Gebäude gern einen Rudolf-Steiner-Gedenkort machen. Und wenn wir in diesem Tempo weitermachen, brauchen wir bald mehr Räume in unserem Zentrum-Gebäude. Es kommen mehr und mehr Menschen zu Besuch, die Vorlesungen und Konferenzen werden größer und größer und unser Platz ist begrenzt. Natürlich arbeiten heute auch mehr Menschen mit. An Ideen mangelt es uns bestimmt nicht!
Wenn Menschen, die zu Besuch kommen, länger bleiben wollen, wo können sie unterkommen und was können sie erleben?
Seit Jahren hält unsere Region Međimurje den Titel als bestes touristisches Ziel im kroatischen Innenland. Letztes Jahr wurde die Region als ‹Grünes Reiseziel› zertifiziert – als vierte Region weltweit. Unsere Entwicklung geht in Richtung nachhaltiger und grüner Tourismus und wir führen diese Entwicklung in der Region an. Natürlich gibt es vielfältige Unterkünfte, Besuchszentren, wunderschöne Natur und hervorragende Gastronomie – ich will nicht alles verraten; die Lesenden können selbst kommen und sehen! Aber für die Zukunft wäre eine interessante Idee, einen Campus in organischer Bauart für den Besuch, für Gruppen, für Kinder und Studierende zu bauen.
Wenn du zurückschaust, was war die wichtigste Lektion, die du aus deiner Arbeit mit der Anthroposophie gewonnen hast?
Das Offensichtlichste ist, dass ich begonnen habe, mich selbst, die Menschen und die Geschehnisse auf einer anderen Ebene zu verstehen als in der Zeit, bevor ich Anthroposophie kannte. Ich habe auch sehr interessante Menschen mit ganz unterschiedlichen Ausrichtungen in der anthroposophischen Welt in den letzten Jahren getroffen. Ich arbeite mit manchen von ihnen in unterschiedlichen Projekten zusammen und von manchen kann ich sagen, dass wir befreundet sind.
Dankeschön. Und alles Gute für dein Tun.
World Goetheanum Association
Andrea Valdinoci lädt interessierte Unternehmerinnen und Unternehmer ein, sich mit der World Goetheanum Association zu verbinden. Vom 19. bis zum 21. September 2024 findet am Goetheanum erneut das World Goetheanum Forum statt, das dieses Jahr in Kooperation mit der Jugendsektion ausgerichtet wird und zu einem generationenübergreifenden Dialog einlädt. In Erinnerung an die erste World Power Conference vor 100 Jahren, zu der Daniel Nicol Dunlop beitrug, lautet der Titel des diesjährigen Treffens: ‹Die Freiheit und das Gute wollen – Der Wirtschaft neues Leben schenken›.
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Kontakt info@centar-rudolf-steiner.com
Alle Bilder von Dijana Posavec
Illustration Grafikteam der Wochenschrift