Die Malerin Urte Copijn hat unter dem Titel ‹Farbe und Bewegung› ein Buch veröffentlicht, das einen Einblick in ihr künstlerisches Schaffen gibt. Eugen Meier sprach mit ihr darüber.
Jede Kunst lebt von der Achtsamkeit, die Kunstschaffende dem Material schenken. Sie finden sich in einem schöpferischen Feld, das sie selber gestalten und dem sie im Gestalten eine Form geben, die sie bewegen und im Bewegen vertiefen. Urte Copijn dokumentiert in Wort und Bild, wie ein Kunstwerk im lauschenden Vernehmen zu sprechen, zu singen und zu klingen beginnt. In entsprechenden Dissonanzen leben sowohl die Dramatik wie auch der harmonische Zusammenklang der heutigen Zeit. Die Malerin entzaubert in ihren Bildern das Geheimnis der Farbe in immer neuer Ausdruckskraft und Ausdruckstiefe.
Wie würdest du deinen künstlerischen Ansatz beschreiben?
Das ist keine einfache Frage, weil sie vielschichtige Komponenten in sich vereinigt. Aber ich kann auf eine wichtige Begebenheit mit Beppe Assenza zurückgreifen. Er war ja ein bedeutender Meister, der eine ganz neue Malweise und eine neue Kunstpädagogik begründet hat. Ich habe ihm einmal geklagt, dass es mir so schwerfalle, in die Formgestalt hineinzufinden. Seine Antwort hat mich sehr erstaunt: «Seien Sie doch froh! Die eigentliche Schwierigkeit beim Aufbau eines Bildes liegt darin, dass oft die Form entsteht, bevor eine gesättigte Farbqualität erarbeitet worden ist. Diese Anregung hat mich ein Leben lang begleitet. Farbe erleben: Das entspricht im Goethe’schen Sinn einer inneren Bewegung, die Goethe als die sinnlich-sittliche Wirkung der Farbe verstanden wissen wollte und die sich in der Arbeit aus der Stimmung zum Klang und dann zum Bild verdichtet. Das Spiel zwischen Auflösung und Form ohne das Dazwischenfunken der Vorstellung ist mir sehr wichtig, um zu einer Gebärde zu kommen.
Du hast in deiner Arbeit die Brücke zur Eurythmie geschlagen. Als Eurythmistin schlägt dir jetzt wohl das Herz etwas höher.
Das kann man sagen. So sind ja einige meiner Bilder aus den Farben und den Gebärden der Eurythmiefiguren bzw. der Laute entstanden. Das war ein Vermächtnis von Beppe Assenza kurz vor seinem Schwellenübertritt. Laute und Seelenhaltungen im Zusammenhang mit den Farben des Tierkreises sind das Herzensanliegen in meiner künstlerischen Arbeit.
Wie ist es dir mit der Anregung von Assenza ergangen?
Ich empfand eine tiefe Freude. Zugleich wusste ich, dass damit eine große Aufgabe verbunden war. Zudem stand ich in meiner Biografie an einem Wendepunkt, weil ich aus gesundheitlichen Gründen die Eurythmie aufgeben musste. Es öffnete sich aber zugleich das Tor, wie ich von der Eurythmie, die ich in mein Herz geschlossen hatte, eine Brücke in die Welt der Farben schlagen konnte.
Kannst du deinen weiteren Weg beschreiben?
Nach dem Tod von Assenza war ich ganz auf mich selbst gestellt. Ich sah mich mit der Aufgabe betraut, meine malerischen Erfahrungen durch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Wesen der Laute zu vertiefen.
Ich habe den Eindruck, dass es sich bei dieser Arbeit um ein sehr umfassendes, quellenreiches Gebiet handelt.
Ja, das empfindest du richtig. Sie nimmt deshalb eine bedeutende Stellung in meinem Leben ein, weil ich mich in dieser Arbeit mit den Logoskräften, den Ursprungskräften der Eurythmie verbinden kann. Diese Arbeit entzaubert Lebenskräfte.
Zum Bild Licht vergeht: Im Gegensatz zur Kraft der Auflösung, der Befreiung zum sonnenhaften Lichtelement des Adlers von unten nach oben, führt uns hier die Kraft im Laut S von oben nach unten hin zur Bindung und Verdichtung in die Verhärtung zum erdigen Element. Da wirkt das Urteilende, das Sondern und das Beengende bis zur Zerstörung ins Dramatische. Das noch bewegliche Grau verdichtet sich zum erdigen Braun und verhärtet sich im Schwarz. Das Feuerelement verzehrt, verlöscht. Es vergehen das Licht und das Feuer in der Bewegung nach unten. Laut S: Wir haben es hier mit dem ahrimanischen Element zu tun. Licht entsteht: Das helle, reine, vom Göttlichen erfüllte Weiß umkleidet sich mit dem leuchtenden Orange. Es erwärmt und verstärkt sich, um sich zum Rot hin zu steigern. In dieser Bewegungsentfaltung findet es den Impuls, mit Kraft und mit Wärme die göttliche Weisheit auszuatmen, sich zu befreien. Diese Wärme, dieses Leben, schenkt Neugeburt aus dem Geistigen heraus. Laut F: Wisse, dass ich weiß! (Rudolf Steiner)
Buch Urte Copijn, Farbe und Bewegung in Klang und Bild. Verlag Sentovision, Münchenstein 2023
Vorsicht mit den Goethezitaten, Feind hört mit… Phoinix ist der Erzieher und väterliche Freund des Achilleus (–> neunter Gesang).
Was sich exoterisch als «Auferstehungsvogel» darbietet ist esoterisch ein Mensch, ein Freund, der uns das Gebet an Ate, die Verblendung und Schuld, übermittelt. Auf Ate folgen die Litai, die Bitten, immer und überall.
Darum folge nicht den Bitten, niemals! Folge der Ehre!
«Dich auch macht‘ ich zum Manne, du göttergleicher Achilleus,
Da ich von Herzen dich liebte; du wolltest ja nie mit den andern
Weder zum Gastmahl gehn, noch essen daheim in der Halle,
Eh‘ ich selber dich nicht auf meine Kniee genommen,
Und die zerschnittene Speise dir bot und den Becher dir vorhielt.»
(Ilias 9:485 bis 489, Deutsch von Hans Rupé, Sammlung Tusculum)
Wisse, dass ich weiß! (Rudolf Steiner)
Ich weiß, dass ich nichts weiß! (Sokrates)
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Die ganze Story – Anklage, Prozess, Verurteilung, Hinrichtung – gibt es in den ersten vier Dialogen des originalen Lektüreplans des Thrasyllos.
Deswegen lehnen gewisse Leute die modernen Sortierungen der platonischen Schriften ab und konzentrieren sich ganz auf die Tetralogien.
Erste Tetralogie: Euthyphron – Apologie – Kriton – Phaidon.
Man beschäftigt sich in der platonischen Akademie nicht nur mit «Ideen» (bessere Übersetzung: Formen) und dergleichen, sondern auch noch mit Mathematik, Geometrie, Astronomie, Physik, Harmonienlehre und so weiter.
Platonismus bedeutet: Sie müssen Ihre Physik-Hausausgaben machen, bevor Sie uns etwas von «Ideen» und «Geist» erzählen. Denn meistens meint man nur die eigenen Ideen und den eigenen Geist damit, das ist aber weder gemeint noch gefragt und leider auch nicht interessant genug.
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Wisse, dass ich weiß! (Rudolf Steiner)
Ich weiß, dass ich nichts weiß! (Sokrates)