Wäre es möglich, in einem konkreten Zukunftsbild – sozusagen als eine ideale Möglichkeit – zu zeigen, wie Theoretiker und Praktiker oder noch präziser: Platoniker und Aristoteliker einen fruchtbaren Weg des Zusammenwirkens finden können? Könnte eine solche Geschichte nicht Mut machen, das zu probieren, was im Alltag so schwierig ist?
In einer solchen erfundenen, aber doch gelingenden Geschichte könnte man auch manches ansprechen, was sonst gerne unter den Tisch gekehrt wird. Urbildliches und Konkretes kann zusammenfließen und in der Fantasie das vorausnehmen, was wir in der Praxis lernen müssen. Eine solche Geschichte könnte wie eine Insel sein, in deren Welt man eintauchen kann, um dann wieder durch den wilden Ozean der sozialen Probleme zu navigieren, das Erlebte als innere Richtschnur im Herzen tragend und danach strebend, an verschiedenen Orten so ideale Verhältnisse einzurichten, wie sie auf dieser Insel möglich sind.
Eine solche Geschichte hat Jens Göken mit seinem Roman ‹Nach diesem Sommer› vorgelegt. Es ist die Geschichte eines Sommerurlaubs, in dem Platoniker und Aristoteliker nach anfänglichen Schwierigkeiten immer besser zueinanderfinden. In konkreten Einzelheiten erleben wir, die Geschichte mitvollziehend, wie weit die Welten auseinanderliegen, aus denen Platoniker und Aristoteliker kommen. Und wie schön es werden kann, wenn sie zusammenwirken können.
Mit feinem psychologischem Gespür sind die Jugendlichen und ihre Eltern charakterisiert. Es fällt leicht, in diese Welt von Interesse, Liebe und Verwunderung einzutauchen. Es ist auf einer Ebene eben auch einfach ein Jugendroman, der eine Geschichte erzählt, wie sie Jugendliche in den Sommerferien erleben können. Als solcher kann man ihn auch Jugendlichen zu lesen geben. Manche sozialen Vorgänge können sie vielleicht sogar noch besser nachvollziehen und wiedererkennen als die älteren Leser.
Wer mit Rudolf Steiners Hinweisen auf die sich nun vermehrt verkörpernden Platoniker und der Überzeugung von der Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit den Aristotelikern lebt, findet in diesem Buch eine willkommene Anregung, abwechselnd in die Gedanken- und Gefühlswelt von Platonikern und Aristotelikern einzutauchen.
Schmunzeln werden vielleicht diejenigen Leser, welche die bisher erschienenen Bücher von Jens Göken kennen (‹Auferstehen inmitten von Untergängen›, Berlin 2012; ‹Die Maschinenkultur, ihre Gegenbewegung und das Herankommen der Anthroposophie im 19. und 20. Jahrhundert›, Berlin 2013; ‹Den Himmel spüren sie in sich … – Die Jugendbewegungen im 20. Jahrhundert›, Berlin 2013), wenn die Personen des Buches ein Bildungsspiel spielen, das im Spielerischen wiedergibt, was von Jens Göken in den bisherigen Büchern als Methode der Geschichtserkenntnis eingeführt wurde. Da treffen sich Wissenschaft und Spiel und Roman und Sachbuch. So hat es in diesem Buch für viele Geschmäcker etwas dabei. Es ist ein Roman und gleichzeitig eine Vision. Es ist Unterhaltung und Unterricht. Es ist platonisch. Aber von einem Platoniker geschrieben, der den Aristotelikern die Hand hinstreckt und die Größe besitzt, beide Welten gleich einfühlsam darstellen zu können.
Den Sinn des ganzen Romans findet man poetisch zusammengefasst in den letzten Worten: «… und also lachend und damit um die Mitte ringend, die hier so schwer zu halten war, setzten wir unsere Heimkehr Hand in Hand fort.»
Jens Göken, ‹Nach diesem Sommer. Ein Jugendroman›, Edition Widar, Hamburg 2016, 176 Seiten, 19 €
Zeichnung: Philipp Tok