«Die Welt braucht heute alle Ideen, alle Kräfte, alle Vorstellungskraft, um die Bedingungen für die Menschenwürde neu zu erfinden.» Diese Beobachtung veranlasste die Anthroposophische Gesellschaft in Frankreich, verschiedene Referentinnen und Referenten zu einem öffentlichen Symposium am 12. Juni 2021 in Paris zum Thema ‹Menschlichkeit, Würde, Verantwortung› einzuladen. Interview mit den Organisatoren Isabelle Dupin, Praxède Dahan und Alain Tessier.
Wieso dieses Thema?
A. Tessier Es ist praktisch eine tägliche Erfahrung: Überall dort, wo wir mit Angestellten, Verkäuferinnen, Handwerkern, Kassierinnen oder anderen Dienstleistern zu tun haben, können wir den Druck und die Zwänge wahrnehmen, die unsere Zivilisation uns auferlegen. Status und Leistungsanforderungen bedingen unser Verhalten. Wir müssen uns wirklich bewusst bemühen, in der spontanen Begegnung mit unseren Mitbürgern authentisch zu bleiben und vor allem ein Minimum an Wärme mitzubringen.
Was ist hier der Beitrag der Anthroposophie?
I. Dupin Der Weg, den mir die Anthroposophie eröffnet, ist derjenige, der mich lernen lässt, als Mensch die Quelle der schöpferischen Kraft zu nutzen, dem Leben mit Begeisterung (Enthusiasmus) zu begegnen, im etymologischen Sinne von ‹in theos› (in Gott). Diese Fähigkeit, die ich spüre, ähnelt derjenigen, die Hannah Arendt als die Fähigkeit des inneren Dialogs beschreibt, die uns erlaubt, angesichts der verschiedenen Situationen, denen wir im Laufe des Lebens begegnen, ein Kriterium des persönlichen Urteils zu entwickeln.
Kann man die Würde des Menschen von der Würde der Tiere und des Lebendigen trennen?
P. Dahan Nein, natürlich nicht, diese Frage der Würde verweist auf unsere Verantwortung als Individuen gegenüber der Erde, der Umwelt. Alle Aspekte des Lebens sind miteinander verbunden und voneinander abhängig; der Mensch hat die Verantwortung, dieses Leben in all seinen Formen zu respektieren und es nicht nur für seinen persönlichen Profit maximal auszunutzen.