Gebären ist per se weder ein medizinisches Problem noch ein Krankheitsgeschehen, doch auch unter der Geburt zählt die therapeutische Gemeinschaft mehr als alles andere. Zu dieser Erkenntnis kam ich – als nicht Professionelle, sondern Gebärende –, nachdem ich eine eigene und viele Geburtsgeschichten in meinem Umfeld erlebt hatte.
Die therapeutische Gemeinschaft ist auf die Frage der Gesundheit und des Heilseins gerichtet, nicht zuerst auf das Kranksein. Dadurch kann sie heilen und mehr umfassen als die Arbeit an einer Krankheit. Auch eine Geburt ist für mindestens zwei Menschen eine körperlich-seelisch-geistige Umwälzungserfahrung und -leistung, die in aller Regel begleitet und in der Begleitung gewünscht wird. Wenigstens 20 Berichte von Geburten habe ich in den letzten Jahren gehört und die meisten von ihnen waren weniger heilsam. Meistens waren es nicht Komplikationen, sondern Stress, Angst, Sorge, das Gefühl, übergangen oder nicht gesehen zu werden, die die Eltern belasteten. Es fehlte genau das: eine therapeutische Gemeinschaft, die den Einzelnen mit Liebe, Interesse und Geduld in den Blick nimmt. Ein innerer Raum, in den sich Eltern und Kinder fallen lassen können. Es hat mich fast immer etwas beschämt, wenn andere Frauen von ihren ‹heftigen› Geburten erzählten, die sie teilweise deprimiert oder schockiert zurückließen, und dann von mir über die Geburt meines Sohnes wissen wollten. Ich konnte ihnen nur erzählen, wie schön und stimmig alles war. Was darauf zurückkam, war oft Überraschung, manchmal Skepsis oder Neid, der eine gewisse Trauer verstärkte. Es könnte doch auch anders sein, für viel mehr Frauen, die Kinder zur Welt bringen, und für Kinder, die Mütter zur Welt bringen! Ich kann dem Vater meines Kindes und unserer Hebamme und allen geistigen Augen, die auf uns gerichtet waren, nicht dankbarer dafür sein, wie sie einfach den Raum gehalten haben und mir und dem Kind ihre volle Aufmerksamkeit schenkten. Ich möchte darum eine Lanze brechen für das Engagement all derer, die für therapeutische Gemeinschaften arbeiten und daran, dass das Leben bereits in echter Gemeinschaft beginnt.
Foto: Flavia Gava