Forschung gehört seit Beginn zum biologisch-dynamischen Landbau dazu. Weil sich auch naturwissenschaftliche Methoden weiterentwickeln, lohnt sich der Spagat zwischen anthroposophischem Verstehen und empirischer Forschung. Das zeigte die erste Forschungstagung zum biodynamischen Landbau.
Es sollte ein Forum geschaffen werden, um die Forschenden im biodynamischen Landbau aus aller Welt zusammen- und in Austausch zu bringen. Weiterhin sollte mit der Tagung die Beschäftigung mit dem biodynamischen Landbau in der internationalen Wissenschaftslandschaft dargestellt werden.
Da im biodynamischen Landbau nicht nur dem Wissen bzw. dem Erlernen, sondern auch dem Erleben ein Wert zugesprochen wird, gab es auch in der Konferenz Elemente, die das Erlebnis des Lebendigen in den Vordergrund stellten. In diesen kreativ gestalteten Phasen konnten sich die Teilnehmenden mit der Wahrnehmung von Pflanzen, Bienenstöcken oder dem Kompostierungsprozess beschäftigen oder die Präparate beim Rühren erleben.
Der biodynamische Landbau wurde aus der geisteswissenschaftlichen Grundlage der Anthroposophie entwickelt. Vieles, was an Hinweisen und Begründungen geliefert wird, ist für Nichtanthroposophen zunächst schwer verständlich und mit den Erkenntnissen der klassischen Naturwissenschaft nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringen. Dennoch ist der biodynamische Landbau kein Dogma, sondern soll als beständig zu überprüfendes und weiterzuentwickelndes System der Landwirtschaft verstanden werden. Diese Forderung stellte auch Rudolf Steiner selbst in den Lektionen des ‹Landwirtschaftlichen Kurses› auf: Trotz oder gerade wegen seiner Überzeugung von der Richtigkeit der von ihm gemachten Angaben forderte er die Landwirte auf, das System durch eigene Erfahrungen zu prüfen und zu verstehen. Forschung gehört so schon immer zum biodynamischen Landbau. Träger der Forschung waren dabei in besonderem Maße die Landwirte selbst. Forschung zum biodynamischen Landbau war so im Ansatz vor allem Praxisforschung, die hier nicht nur als Forschung in der Praxis oder für die Praxis, sondern vor allem mit den in der Praxis tätigen Menschen verstanden werden soll. Dieser Ansatz wird heute auch außerhalb des biodynamischen Landbaus verstärkt aufgegriffen.
Das klassische Wissenschaftssystem einschließlich der Wege für die Vermittlung von Forschungsergebnissen ist jedoch zumindest im Bereich der Naturwissenschaften bis heute ein akademisches System und folgt Regeln und Vorgaben, die von vielen Praxisforschungsvorhaben in dieser Form nicht eingehalten werden – und auch nicht eingehalten werden können. Bei der Tagung wurde versucht, den Rahmen für Beiträge möglichst weit zu fassen und gleichzeitig die Anforderungen des klassischen Wissenschaftssystems aufzunehmen, um Forschende mit nicht akademischem Ansatz nicht auszuschließen und doch wissenschaftlich ausschlussfähig zu sein.
Die vermutlich größte Herausforderung in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem biodynamischen Landbau ist die durch die geisteswissenschaftlichen Annahmen der Anthroposophie begründete Hypothesenbildung. Das bedeutendste Beispiel hierfür sind die Wirkungen der von Steiner entwickelten Präparate. Die Hypothese hierzu geht von Wirkungen aus, die zwar auch die physische Welt betreffen, aber zunächst auf nicht physischer Ebene stattfinden. Allerdings zeigen verschiedene biostatistisch korrekt abgesicherte Ergebnisse Wirkungen biodynamischer Maßnahmen in der erwarteten Richtung, die mit naturwissenschaftlichen Ansätzen nicht erklärbar sind. Scheinbare Widersprüche zwischen Annahmen im biodynamischen Landbau und in den Naturwissenschaften lösen sich dabei zum Teil aber im Zuge der Weiterentwicklung der naturwissenschaftlichen Methoden und Erkenntnisse auf. So ist die Fähigkeit von Pflanzen zur aktiven Nährstoffmobilisierung, die im biodynamischen Verständnis bereits vorweggenommen wurde, heute allgemein anerkannt.
Es ist daher sehr zu begrüßen, dass im biodynamischen Landbau auch weiterhin Verfahren erprobt werden, die sich einer naturwissenschaftlichen Begründung bisher noch entziehen. Neben Arbeiten zu den Präparaten wurden in Dornach Arbeiten zur Wirkung von Eurythmie auf Pflanzen und Wasser oder die produktionsökologische und qualitative Bedeutung von Meditationspraktiken sowie astronomischen Konstellationen vorgestellt und diskutiert. Die Beschäftigung mit diesen Themen geschah dabei grundsätzlich konstruktiv und verband die unvoreingenommene Wahrnehmung der dargestellten Sachverhalte mit der Berücksichtigung wissenschaftlicher Anforderungen und Annahmen.
Ein besonderes Potenzial steckt jedoch in der Entwicklung neuer Untersuchungsmethoden im Kontext der Forschung im biodynamischen Landbau. Der Anspruch einer ganzheitlichen Aussage fördert hier eine innovative und kreative Erkenntnisfindung. Besonders vielversprechend sind heute die sogenannten ‹bildschaffenden Methoden›, die eine ganzheitlichere Analyse von Proben ermöglichen sollen – also eine Analyse auf einem höheren Integrationsniveau der betrachteten Objekte. Insbesondere das analytische Verfahren der Biokristallisation wurde intensiv erprobt und erfüllt heute auch die wissenschaftlichen Anforderungen an Objektivität und Reproduzierbarkeit. In der wissenschaftlichen Literatur sind inzwischen mehrere Arbeiten erschienen, die diese Methode anwenden (vgl. Brock et al. 2019). Auch auf der Tagung waren Studien, die diesen Ansatz verwenden, stark vertreten. Insgesamt zeigt sich, dass es für eine internationale wissenschaftliche Tagung zum biodynamischen Landbau höchste Zeit war. Die nächste Veranstaltung soll 2020 im Umfeld des Organic World Congress in Rennes (F) stattfinden.
Literatur
C. Brock, U. Geier, R. Greiner, M. Olbrich-Majer, J. Fritz, Research in biodynamic food and farming – a review, in: ‹Open Agriculture›. 2019 eingereicht.
U. Geier, A. Büssing, P. Kruse, R. Greiner, K. Buchecker, Development and Application of a Test for Food-Induced Emotions, in: ‹Plos One›, 2016. doi:10.1371/journal.pone.0165991.
Fotos: Heinrich Heer, Eindrücke von der Tagung