Ein Aufruf

Äußere Ereignisse sind oft Ausdruck von tieferen Kräften. Diese haben ihren Ursprung in der Beziehung zwischen dem individuellen Geistesleben und dem, was in der geistigen Welt stattfindet.


Jeder Zeitgenosse kann zumindest ahnen, was auf geistiger Ebene vor sich geht: Wir befinden uns in einer Zeit, in der die Unterschiede zwischen Nationen und Kulturen nicht mehr zu Konflikten und Kriegen führen sollten, sondern in der ein humanistisches Bewusstsein, eine kosmopolitische, menschliche Geschwisterlichkeit Platz greifen sollte.

Kuppeln des Kiewer Höhlenklosters. Dahinter der Dnjepr mit der Paton-Brücke und die Stadtteile Rusanivka und Berezniaky. Foto: centralniak, CC BY 2.0

Jeder fühlt es – und doch werden weiterhin martialische Drohungen ausgesprochen, der Geist des Kriegs taucht unaufhörlich wieder auf und zerreißt die Weltseele. Ist dieser Bruch zwischen den tiefen Sehnsüchten und den äußeren Ereignissen nicht ein Hinweis darauf, dass unser Kosmopolitismus immer noch zu abstrakt ist?

Unter dem Titel ‹West-Ost. Zweiter internationaler Kongress der anthroposophischen Bewegung zur Verständigung westlicher und östlicher Weltgegensätzlichkeit› veranstaltete die anthroposophische Bewegung vor fast 100 Jahren, im Juni 1922, einen großen öffentlichen Kongress in Wien. Dieses Jubiläum erinnert an eines der zentralen Merkmale einer lebendigen Anthroposophie: an ein tieferes Verständnis für die kulturellen Unterschiede und Spiritualitäten der Welt, an einen Hunger nach Begegnung und gegenseitiger Bereicherung.

Sind die äußeren Zeichen der Zerrissenheit, die sich in Osteuropa zeigen, nicht Teil dieses existenziellen Aufrufs zu einem Weg der Demut und des Mutes, der Selbstentwicklung hin zu einer besseren Wahrnehmung und Wertschätzung des anderen in seiner Andersartigkeit?

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