Im menschlichen Körper geschieht es 50 Millionen Mal pro Sekunde: In das verknäulte Lebenschaos der Zellkerne kommt Ordnung hinein.
Wie von Geisterhand bewegt, wandern die Chromosomenpaare in die Mitte der Zelle und werden von einem Pol der Zelle durch Fäden gehalten. Die Chromosomenhälften lösen ihre Verbindung zueinander, damit besteht nun zwei Mal die gleiche Erbsubstanz, sodass die Zelle sich in identische Zellen teilen kann. Die Fäden ziehen die getrennten Chromosomen zu sich, die Zelle schnürt sich ein und wird zu zwei Zellen, in denen die Chromosomen sich wieder in ein freies Knäuel verschlingen. Jedes Tier, jede Pflanze hat ihre typische Anzahl an Chromosomen, wobei die Anzahl nicht den Rang bestimmt, denn beispielsweise hat die Ente gegenüber den 23 Chromosomenpaaren des Menschen 17 Paare mehr und die Blindschleiche nur ein Paar weniger. Gleichwohl scheinen Tier und Mensch ihre besondere Zahl zu besitzen. Denn sobald sie – zum Beispiel durch Komplikation bei der Befruchtung – abweicht, kommt es zu Beeinträchtigungen wie beim Down-Syndrom, wo das 21. Chromosom vermehrt vorliegt. Während man bei Kulturpflanzen den Chromosomensatz verdoppeln kann, um größere Kartoffeln zu erreichen, ist das bei Tier und Mensch kaum möglich. Jedes Tier hat seine Zahl: Biene 16 und Affe 24. Zum Menschen gehört die 23, die wir mit der Esche teilen. Mit jeder Zellteilung ordnen sich die 23 Paare an. Was ist an der 23 besonders? 7 und 23 sind besondere Primzahlen, weil auf sie erstmals eine größere Zahl an teilbaren Zahlen folgen: bei der 7 sind es mit 8, 9 und 10 erstmals drei Zahlen, bei der 23 erstmals fünf Zahlen. Es sind Zahlen, die vor größeren Primzahllücken stehen, wie dann erst 89, und deshalb im gesteigerten Sinne charaktervolle Zahlen.
Aus Wolfgang Held, Alles ist Zahl. Stuttgart 2011.
Bild Jasminka Bogdanovic, ‹Horizonte›, 2017 Tempera auf Leinwand, 200 × 80cm