exc-5d77ece898fe741ce26fe4bc

Drei Freiheiten — Ein Holzschnitt

Ökonomen nehmen Präferenzen als gegeben; Soziologen untersuchen, wie sie sich bilden; Philosophen bilden sie.


Was sich derart akademisch unterscheiden lässt, das lässt sich auch alltäglich beobachten: Wir nehmen Einstellungen anderer ebenso wie unsere eigenen als gegeben; wir denken darüber nach, warum wir selbst oder andere dieses oder jenes so oder so sehen; wir wirken auf uns selbst sowie auf andere ein und bilden Neues aus.

Für Ökonomen besteht Freiheit darin, gemäß eigenen Präferenzen zu handeln sowie Präferenzen anderer hinzunehmen. Für Soziologen besteht Freiheit darin, die eigene Gebundenheit sowie diejenige der anderen zu durchschauen und also darüber Bescheid zu wissen, wer bzw. was uns bestimmt. Für Philosophen besteht Freiheit darin, sich selbst zu bestimmen – also sich immer wieder frei für das eigene Tun und Lassen entscheiden zu können. Was hat es mit diesen drei Freiheiten in anthropologischer Hinsicht auf sich?

Die Freiheit des ‹homo oeconomicus› heißt: Ich bin ich. Du bist du. Wir leben nebeneinander, nicht miteinander. Was ich will, will ich, und was du willst, willst du. Wenn ich etwas von dir will, was du nicht willst, dann muss ich dich beeinflussen und ausnutzen. Die Freiheit des ‹homo sociologicus› heißt: Ich bin nicht nur ich. Du bist nicht nur du. Was wir wollen, wollen wir insbesondere, weil wir mit anderen, die von uns dieses oder jenes erwarten, zusammenleben. Die Freiheit des ‹homo philosophicus› heißt: Ich bin ich und du. Du bist du und ich. Wir leben nicht nur nebeneinander und miteinander, sondern vor allem durch einander. Ich bestimmte mich selbst, wenn es mir gelingt, mich gemeinsam mit dir abzustimmen. Ich bin frei, wenn ich dazu fähig bin, dich freizulassen, und dazu bereit bin, von dir freigelassen zu werden.

Print Friendly, PDF & Email

Letzte Kommentare