Erstmals werden die bislang unbekannten Briefe Andrej Belyjs und Natascha Pozzo-Turgenjewas von Johannes Nilo herausgegeben.
Als der Slawist und Andrej-Belyi-Forscher Thomas R. Beyer Jr. im Juni 2012 das Goetheanum besuchte, um Unklarheiten zu einem rätselhaften Bücherbestand – angeblich die ‹Reisebibliothek› von Andrej Belyi – aufzuklären, wurden seine Erwartungen übertroffen. Denn während er und Johannes Nilo, zu dieser Zeit Leiter der Goetheanum-Dokumentation, den Nachlass von Natascha Pozzo (1886–1942) sichteten, fanden sie unerwartet Handschriften von Andrej Belyj (1880–1934). Sie entpuppten sich als Liebesbriefe an Natascha Pozzo. Sie ist die ältere Schwester von Anna (Assja) Turgenjewa.
Die Briefe enthalten zudem intime Einblicke in die Entwicklung von Andrej Belyj. Dabei stand Natascha Pozzo im Mittelpunkt einer geistigen, moralischen und psychischen Krise, welche er während seiner Dornach-Jahre von 1913 bis 1917 durchlitt. Es ist Andrej Belyjs Lebensmitte – «ein reicheres Leben als das gesamte Leben ‹davor› und das Leben ‹danach› (an inneren eigentümlichen Ereignissen)», wie er selbst diese Zeit charakterisiert.
«Sie [die Briefe] erzählen aber auch unmittelbar und ungefiltert aus dem Leben mit der Anthroposophie im Umkreis Rudolf Steiners», schreibt Johannes Nilo im Vorwort des Briefbands. Dabei warnt er vor voreiligen Urteilen: «Belyjs polyphone Stimme erlaubt keine einseitigen Festlegungen.»
Und was erfährt man von Natascha Pozzo? Johannes Nilo: «Von Natascha selbst ist nur ein einziger Brief übermittelt. Der Stil ist klar und ruhig. Somit wirkt sie korrigierend auf Belyjs weite Perspektiven und wilde Spekulationen.»
Andrej Belyj und Natascha Pozzo: Dornacher Briefe. 1913 bis 1917, herausgegeben von Johannes Nilo, Verlag am Goetheanum, 208 Seiten, 23 €/28 CHF
Titelbild: Andrej Bely, Porträt von Leon Bakst, St. Petersburg, 1905. Quelle: Anthropedia