Rückblick von Matthias Girke und Georg Soldner (Sektionsleitung) sowie Moritz Christoph (Tagungsvorbereitung).
Welcher Moment an der Jahreskonferenz hat euch ergriffen?
Matthias Girke Mich hat der zentrale Festakt zum 100. Geburtstag besonders beeindruckt. Er war ein Mittelpunkt oder auch das Herz in der Festwoche. Er stand im Zeichen der Begeisterung durch den Beitrag von Armin Husemann; die Beethoven’sche Musik lebte fort durch den ganzen Tag. Eine große Anerkennung und Würdigung der Anthroposophischen Medizin durch Giovanni Maio bewegte uns sehr, ebenso die Festansprachen. Die Eurythmie griff das Klavierkonzert in einer Aufführung auf. Die Einbeziehung des Totengedenkens ließ auch unsere Vorangegangenen aus der anthroposophisch-medizinischen Bewegung teilnehmen. Die vielen jungen Menschen, die die Tagung organisierten, und auch die viel jüngere Teilnehmerschaft waren wie ein Zukunftsgruß für die Anthroposophische Medizin.
Georg Soldner Da war zu Beginn die Gruppe der jungen Menschen, die diese Konferenz vorbereitet und durchgetragen hat. Ihr spiritueller Ernst, ihre sozial-gestalterischen Fähigkeiten und ihre große Ruhe haben mich die ganze Woche hindurch beeindruckt. Wie Matthias empfand ich den Festtag herausragend mit dem geistvoll berührenden Festvortrag Giovanni Maios, in dem eine große Wertschätzung des Impulses aufleuchtete, der die Anthroposophische Medizin trägt: die Sorge für den ganzen, individuellen Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Dann die Mittagsmahlzeit aller 800 Teilnehmenden auf der sonnigen Goetheanumterrasse, der Zusammenklang von Eurythmie und Beethovens ‹Dankgesang eines Genesenen an die Gottheit›, der in spirituelle Höhen führende Abendvortrag von Matthias Girke. Eine Gesamtkomposition, ein unvergesslicher Festtag.
Moritz Christoph Das ist uns nicht nur in Dornach begegnet, sondern Menschen weltweit haben die Initiative in die Hand genommen, sodass in zwei Monaten 60 lokale Events entstanden. Das zeigt deutlicher als viele Worte, wie weit die Begeisterung für die Anthroposophische Medizin in der Welt lebt.
Welches Bild, welches Gefühl hat die Jahreskonferenz in eurer Seele hinterlassen?
Soldner Das Gefühl innerer Zuversicht in schweren Zeiten, das Bild einer jüngeren Generation, die sich auf schwierige Aufgaben gemeinsam vorbereitet und die den Dialog mit der älteren Generation schätzt, das Erleben, über alle äußeren Hindernisse hinweg mit so vielen Freunden weltweit verbunden zu sein in dem uns tragenden, geistigen Impuls.
Girke Die Zusammengehörigkeit der anthroposophisch-medizinischen Bewegung trotz Social Distancing. Andere Länder konnten durch etwa 60 Regionalkonferenzen dieses Fest für die Anthroposophische Medizin begehen und waren durch direkte Kontakte, Vorträge per Video und Konferenzen mit der Tagung verbunden. Dadurch entstand ein Gefühl des Zusammengehörens und gemeinsamer Freude.
Christoph Große Dankbarkeit und die Bestätigung, dass auch die geistige Welt diese Tagung wollte. Mit dem Termin haben wir genau das Fenster getroffen, in dem eine Tagung stattfinden konnte. Aufgrund der steigenden Anzahl von Risikogebieten hätte die Tagung keine Woche später sein können. Für das Mut-Schutz-Konzept brauchten wir ein Mittagessen im Freien und wir haben eine Woche im September getroffen, die Sonne mit Temperaturen von 30 Grad hatte. Solch ein Zusammentreffen kann nicht von Menschen vorherbestimmt werden. Da zeigt sich, dass auch unsichtbare, helfende Hände uns zur Seite standen.
Welche Aufgaben und Perspektiven seht ihr jetzt klarer als vor der Konferenz?
Soldner Ich sehe deutlicher, wie die jüngere Generation gestalten und wahrgenommen werden will und wie notwendig die kontinuierliche Zusammenarbeit der Generationen in unserer Sektion, unserer Bewegung und darüber hinaus ist. Im Weiteren:
• die ökologische Pionierrolle Anthroposophischer Medizin und Pharmazie entschlossen weiterzuführen und dabei neue Partner zu finden;
• im Blick auf die Krise der Gegenwart die Zusammenarbeit mit anderen Sektionen/Lebensfeldern zu intensivieren, z. B. der Landwirtschaft, der Pädagogik;
• die Bedeutung der Kunst für ein wirkliches Erfassen dessen, was in jedem Du lebt und wahrgenommen, entdeckt werden will, um sich entwickeln zu können;
• dass wir in einer Zeitenwende leben.
Girke Die großen Herausforderungen sind nur durch gemeinsame Anstrengungen zu meistern. Wir brauchen die Vertiefung der Zusammenarbeit der Sektionen, besonders der Pädagogischen und der Landwirtschaftlichen Sektion. Eine Gesundheit des Menschen ist nur in Verbindung mit der Gesundheit der Erde möglich. Als Heilkunst ist die Medizin auf das Künstlerische angewiesen, das nicht nur der künstlerischen Erfahrung, sondern auch dem Heilen dient.
Moritz Die weltweite Vernetzung zwischen Gruppen und Fachgebieten hat allen viel Freude bereitet! Daher hoffe ich, dass die Suche nach Formen der Zusammenarbeit gerade an Grundimpulsen der Anthroposophischen Medizin weitergeht. In der Sektion loten wir gerade die technischen Möglichkeiten aus.
Bei Interesse für eine Zusammenarbeit: world@crossingbridges.care
Buchempfehlungen
Armin Husemann, Die Blutbewegung und das Herz Verlag Freies Geistesleben, Dornach 2019. Fragen zu der Herzfunktion, der Bewegung, dem Herz als Karmaorgan, der Beziehung zum Gewissen, der Waagehaltung des Herzens, in goetheanistischer Form entwickelt.
Jonathan Neisecke und Hartmut Ramm Mistel und Krebs im Werk von Rudolf Steiner Broschüre des Vereins für Krebsforschung, Forschungsinstitut Hiscia, Eine Materialsammlung zu Rudolf Steiners Aussagen zu der Mistel, der Mistel als Heilpflanze, dem Krankheitsverständnis von Krebs, der Beziehung der Mistel und zu dem, was sie zur Krebserkrankung hinführt.
Ueli Hurter, Justus Wittich (Hg.) Perspektiven und Initiativen zur Coronazeit Verlag am Goetheanum, Dornach 2020. Zusammenarbeit zwischen den Sektionen der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft zu dem Covid-19-Phänomen. Die sektionsspezifischen Arbeitsergebnisse werden dargestellt.
Georg Soldner, Michaela Glöckler, Matthias Girke (Hg.) Anthroposophische Medizin – Arzneitherapie für 350 Krankheitsbilder Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2020. Ein praxisorientierter Überblick. Arbeitsergebnisse werden dargestellt.
Peter Selg Rudolf Steiners Beziehung zur Medizin Ita Wegman Institut, Arlesheim 2019. Sehr berührend, weil es in Druck gegeben worden ist in Gedenken an Peter Matthiessen, der dieses Verhältnis professionell ausgestaltet hat.
Peter Selg Rudolf Steiner, die Anthroposophie und der Rassismus-Vorwurf – Gesellschaft und Medizin im totalitären Zeitalter Ita Wegman Institut, Arlesheim, 2020. Gute Darstellung über die politischen und sozialen Zusammenhänge, die Vorurteile hervorbringen und damit agieren.
Peter Selg Nach Auschwitz Ita Wegman Institut, Arlesheim 2020, Auseinandersetzungen um die Zukunft der Medizin.