Raten Sie mal, in welchem Bereich die französischen Medien die biologisch-dynamische Landwirtschaft und ihren Initiator Rudolf Steiner am häufigsten in höchsten Tönen loben? So überraschend es auf den ersten Blick erscheinen mag: im Bereich des Weins.
Der Prozentsatz der biodynamisch zertifizierten Weinanbauenden liegt zwar erst bei etwa 1,4 Prozent, der Einfluss der biodynamischen Methode im Weinbau ist allerdings viel höher. Es ist eine unvermeidliche Tatsache im französischen Weinbau, und zum Teil auch weltweit, dass einige für die Qualität ihrer Weine bekannte Weingüter sich dieser Landwirtschaft zugewandt haben.
‹Biodynamik, die Methode, die den Wein verändert› – so lautet der Titel eines Dossiers in der diesjährigen Januar-Ausgabe der berühmten ‹Revue du Vin de France›, die gut die Hälfte ihres Inhalts diesem Thema widmet. Der Titel sagt viel über den Inhalt aus. Das Magazin, das dafür bekannt ist, Verkostungen durchzuführen, die Weinbewertungen nach sich ziehen, wählte aus den 300 angebotenen Weinen fast 200 aus (mit Bewertungen zwischen 88 und 97 von 100 Punkten). Und die Verkostenden, die vom Diskurs der Biodynamik mehr oder weniger überzeugt sind, sind sich dennoch alle einig, dass die Biodynamik «fruchtigere, komplexere Trauben ergibt, die die Handschrift des Ortes tragen».
Das Editorial, das sehr lobend mit dem Titel ‹Es war großartig› überschrieben ist, beginnt so: «Es war sicherlich eine der schönsten Verkostungen des Jahres […].» Eine neue wissenschaftliche Studie bestätigt diese Ansicht. Sie zeigt aus einer Zusammenfassung der Ergebnisse aus Verkostungen von 130 000 Weinen, dass die organisch zertifizierten Weine statistisch signifikant besser sind und die biodynamisch zertifizierten noch besser als die biologischen Weine.1
Genuss und Sinneswahrnehmung überzeugen
Warum ist die Biodynamik im Weinbau so erfolgreich? Es gibt im Weinsektor eine Kultur der Verkostung mit einer verfeinerten sensorischen Herangehensweise. Das Wichtigste beim Wein sind seine sensorischen Qualitäten. In der Tat ist Wein kein Lebensmittel, sondern ein Genussmittel, durch das man den Genuss über die Sinne und die Begegnung mit einem Ort (Boden), einem Jahr (Klima und Himmelseinflüsse) und Menschen (Winzern) sucht. Das Ergebnis spricht also nicht quantitativ, sondern rein qualitativ. Und Weinbaubetreibende haben im Vergleich zu Gemüsegärtnerinnen oder Getreidebauern das große Glück, ein Produkt zu erzeugen, das vor allem auf Qualität und weniger auf Quantität geprüft wird. Wenn die Anbauweise gut praktiziert wird, werden die Ergebnisse direkt mit den Sinnen wahrnehmbar, und zwar von Menschen, insbesondere Önologen, die völlig unabhängig – völlig ohne Interessenkonflikt – sind und manchmal sogar skeptisch gegenüber dem Diskurs der Biodynamiker und den wissenschaftlichen Grundlagen der Methode. So können wir hier beobachten, wie das Endprodukt eine feine und präzise Synthese der durch die Biodynamik bewirkten Veränderungen offenbart, die sonst nicht immer offensichtlich wahrzunehmen sind.
Dieser Erfolg im Bereich des Weinbaus, der vor allem auf direkter Sinneswahrnehmung basiert, hat Wissenschaftler interessiert. So zeigt eine neue wissenschaftliche Vorstudie von 2020, die in drei französischen Weinbausektoren mit 150 getesteten Parzellen durchgeführt wurde (50 Parzellen für jede Methode: konventionell, biologisch, biodynamisch) und von Lionel Ranjard, Forschungsdirektor am INRAE 2, vorgestellt wurde, dass «die Biodynamik die Netzwerke der Interaktionen der mikrobiellen Gemeinschaften der Böden unglaublich steigert»3. So haben alle Pilze und Bakterien in der Biodynamik 30-mal mehr Interaktionen untereinander, im Vergleich zu den zwei anderen Methoden. Diese Menge an Interaktionen ist einer der wichtigen Faktoren für eine hohe Bodenqualität. Ranjard hat im Moment keine wissenschaftliche Erklärung, aber diese Ergebnisse, die noch bestätigt werden müssen, scheinen recht robust zu sein.
Nicht anonymisiert
Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Tatsache, dass Weine sehr selten anonym sind. Sie tragen meist die Adresse des Erzeugers. Hinter jeder Flasche steht eine Geschichte, ein Ort, ein Zusammenhang von Menschen. Das gibt dem Produkt eine Bedeutung, indem es dem Verbrauchenden ermöglicht, eine konkrete Verbindung zu einer Geschichte und zu Menschen herzustellen. Die Winzer und Winzerinnen haben auch gelernt, sich viel spielerischer darzustellen und anzupreisen. Zum Beispiel lassen sie oft die Etiketten von Künstlern zeichnen.
Interessanterweise schildern die im Dossier befragten Winzer und Winzerinnen ihr Verhältnis zur Biodynamik auf eine sehr persönliche, individualisierte Weise, fernab von jeglichem Dogmatismus. Auf die Frage, welche Verbesserungen sie festgestellt haben, antworten sie, dass es sich im Wesentlichen um das Leben der Böden handelt, aber dass die Veränderungen nicht leicht zu erkennen sind, weil sie eine große Vielfalt von Parametern betreffen. Andererseits haben alle schnell eine Verbesserung der Qualität ihrer Weine festgestellt, was auch von einigen Sommeliers bestätigt wird, die die Entwicklung der Weine nach einer Umstellung auf biodynamischen Anbau verfolgt haben.
Der undogmatische und pragmatische Ansatz der biodynamischen Winzer geht auch aus einem hervorragenden kleinen Buch des Journalisten Pierre Guigui hervor,4 der folgende Frage verschiedenen Weinbauern und Weinbäuerinnen stellt: «Soll man an den biodynamischen Weinbau glauben?» Die Antworten reichen von «wir sind nicht auf dem Gebiet des Glaubens» bis hin zu «wenn wir nicht an etwas glauben, wie können wir es mit unserem ganzen Selbst tun?». Oder: «Daran zu glauben oder nicht, ist eine Frage der Persönlichkeit» und «diejenigen, die am wenigsten darüber wissen, reden am meisten darüber. Man muss es ernsthaft ausprobieren und dann sprechen die Ergebnisse für sich selbst.» All diese Zeugnisse zeigen eine große Vielfalt der Herangehensweise. Auf die weitere Frage: «Sind Sie in Versuchung geraten, die Biodynamik aufzugeben?», antworten alle einstimmig mit Nein. Auf der anderen Seite geben einige zu, dass die Auswirkungen des Klimawandels so groß sind, dass sie versucht waren, den Weinbau überhaupt, aber nie die biodynamische Methode einzustellen.
Was können wir aus diesem Beispiel lernen für eine gelungene breite Wirkung von anthroposophischen Impulsen? Was die große Öffentlichkeit überzeugen kann, sind die konkreten Ergebnisse und Fakten, nicht, was man darüber erzählt. Eine Kultur der sinnlichen Verkostung, inklusive der individuellen Gestaltung der Packungen, muss im Bereich der Landwirtschaft möglichst weit entwickelt werden. Und dass letztendlich der Ausdruck der Vielfalt individueller Ansätze der in der Praxis Tätigen es eher ermöglicht, ein breites Publikum zu erreichen, als jeder noch so ausgefeilte einheitliche Diskurs und die Werbung.
So können wir die biodynamische Landwirtschaft auf der ganzen Welt zum Leben erwecken und sie wie einen großen Blumenstrauß in allen Farben und Düften ausstrahlen lassen.
Footnotes
- Étude : les vins certifiés bio et biodynamiques sont-ils meilleurs ?.
- Nationales Forschungsinstitut für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt.
- La microbiologie des sols en vigne : quelles pratiques pour un sol vivant ?
- Guigui Pierre, Vin et biodynamie, une philosophie de vie. Rencontre avec des vignerons engagés. Ed. Apogée, 2020.