Wer besitzt heute noch die Wahrheit? Die Welt ist so unglaublich komplex geworden in den letzten 100 Jahren. Die Sehnsucht nach einfachen Antworten ist größer denn je. Aber schwieriger denn je sind diese zu haben.
Meinungen über Phänomene gibt es zur Genüge. Sie kommen oft in Schwarz oder Weiß daher. Widersprüchliche Fakten gibt es unendlich, wenn man verschiedene Quellen aufschließt. Aber uns daraus eigenständig die Wahrheit zu bilden oder auch nur darauf zu vertrauen, dass sie in den Fakten lebt, ist nicht mehr ohne Weiteres möglich. Die unsichtbare Hand des Kapitalmarktes verschleiert auch Tatsachen oder drängt sie in Richtungen, die mehr dem Profit denn der Wahrheit dienen. Die globalisierte Welt überfordert mit ihren Informationen, Anschauungen und Interessen.
Zwischen Wahrheit und Lüge nicht mehr unterscheiden zu können, sei eine Signatur zukünftiger Zeit, hatte Rudolf Steiner prognostiziert. Die Wirklichkeit ist zerstückelt in so viele Wahrheiten, wie es Menschen gibt. Den Common Sense der faktischen Wahrheit scheint es nur in jenen Medien zu geben, die ihn veröffentlichen. Worauf verlassen wir uns dann aber? Was ist die Sicherheit, auf der wir unser Handeln, Glauben und Tun gründen? Diese Tatsachen machen etwas mit dem Bewusstsein des westlichen Menschen. Sie verändern es und drängen zur Innenseite der Wahrheit, die in jedem Menschen in wohl ganz eigener Weise lebt. Es braucht Mut, auf dem Eis zu tanzen. Denn es ist unbekanntes Terrain, was wir künftig zu betreten und zu kultivieren haben. Aber es ist interessant und wird uns neues Wahres über unser Wesen offenbaren.
Grafik Sofia Lismont