Die grünste Stadt der Schweiz

In wenigen Tagen wird im Kanton Basel-Stadt darüber entschieden, ob der Kanton bereits 2030 klimaneutral wird und damit Schweizer Vorreiter. Die Initiative ‹Basel 2030› sieht eine Veränderung der Verfassung vor.


Wir sprachen mit Pressesprecherin Agnes Jezler, Kulturwissenschaftlerin und Mitglied des Initiativkomitees Silvia Henke und Salome Fonseca, Mitglied des Gründungskomitees. Die Fragen stellte Elena Borer.

Elena Borer: Die Idee zur Initiative entstand aus gemeinsamen Abendessen, den sogenannten KlimaZnachts vor dreieinhalb Jahren. Die meisten von uns sprechen immer mal wieder bei gemeinsamen Mahlzeiten über die Klimakrise. Aus den meisten Gesprächen folgen allerdings keine direktdemokratischen Schritte. Was war bei euch anders?

Agnes Jezler: Die Idee zu den KlimaZnachts entstand eigentlich aus einem Freundeskreis heraus. Dann haben wir festgestellt, dass es immer die gleichen Leute sind, also haben wir angefangen, mehr Freundinnen von Freunden einzuladen, die interessiert daran waren, einmal im Monat zusammen zu essen. Am Anfang war das ziemlich informell in privaten Wohnzimmern.

Salome Fonseca: Von Anfang an war eine Kraft in der Gruppe spürbar. Berührt haben mich vor allem das große Interesse der Anwesenden, die Offenheit für neue Menschen und die Präzision der Fragen. Während dem ersten Lockdown 2020 begannen wir, konkreter über eine Volksinitiative zu sprechen, die schließlich immer mehr Gestalt annahm. Mir schien es, dass die Online-Treffen zu einer Konzentration beigetragen haben, welche das Projekt befeuert hat.

Jezler: Später bildete sich zudem ein Empathiekreis, in dem wir regelmäßig darüber sprechen, wie es uns persönlich geht. Wir müssen unsere Gefühle ertasten, erforschen, aussprechen und von anderen gehört werden, um uns mit der Welt verbinden zu können. Gerade sich selbst sprechen zu hören, die Resonanz zu erleben, dass meine Stimme auf jemanden trifft, der das aufnimmt, ist grundlegend, um uns in uns selbst, aber auch in der Welt zu Hause zu fühlen.

Die Unterstützenden von Basel2030 gehen durch Quartiere und läuten an Haustüren, um mit den Menschen über die Klimakrise und die kommende Abstimmung zu sprechen. Foto: Basel2030

Durch Empathie Netzwerke kreieren

Borer: Wie ist die Kampagne organisiert?

Jezler: Für wirkliche Klimagerechtigkeit brauchen wir sehr viel stärkere Beziehungen in den Quartieren, deswegen wollten wir auf eine Mobilisierungsform setzen, die auf Zuhören beruht. Wir haben relativ unabhängige Lokalgruppen in den verschiedenen Quartieren aufgebaut, welche die Initiative auch überdauern werden. Mit den Lokalgruppen gehen wir auf die Straße und an die Haustüren und möchten unsere Nachbarn und Nachbarinnen dazu einzuladen, mitzugestalten.

Borer: Was habt Ihr in den Gesprächen gelernt?

Fonseca: Dass die Leute sich über persönliche Gespräche freuen, auch an der Haustüre. Die meisten sind überflutet von Mails, Social Media, Online-Nachrichten. Es ist erstaunlich, dass die wenigsten Menschen das Gespräch ablehnen, das ist anders als früher. Vielleicht hat die Coronapandemie mitunter zur Einsicht beigetragen, dass Schutz, Sicherheit und Wohlstand von Mensch und Natur nicht selbstverständlich sind. Es hat sich ein Krisenbewusstsein und zugleich auch eine größere Offenheit entwickelt.

Borer: Wie hängen das ökologische und das soziale Klima zusammen?

Silvia Henke: Der Kauf von günstigem Gemüse zum Beispiel darf nicht länger mit Pestiziden bezahlt werden, die unter anderem Insekten- und Vogelarten aussterben lassen. Die Insekten und Vögel sind genauso wichtig wie das Gemüse. Bruno Latours Kategorie des «Terrestrischen» ist in dieser Hinsicht interessant, weil er «das Terrestrische», die nichtmenschliche Natur, als Akteur versteht, mit dem wir zusammenarbeiten sollten und das auch gut könnten, anstatt dagegen.

Basel2030-Unterstützende vor dem Basler Rathaus während der Großratsdebatte. Foto: Basel2030

Selbst Antwort geben

Borer: Wie seid ihr persönlich für die Klimakrise erwacht, gab es da einen prägnanten Moment?

Henke: Der Pariser Klimagipfel 2015 und Amerikas Weigerung, die Konvention zu unterschreiben. Da wurde mir klar, wie viel an der Frage der erneuerbaren Energien hängt und wie gigantisch die Öl- und Gaslobby ist, die die ökologischen Klimaziele untergräbt. Dazu kommt die Vorstellung, wie viele Gegenden in Meeresnähe dem Tod geweiht sind in den nächsten 100 bis 200 Jahren – das macht mich sehr traurig.

Fonseca: Bei mir war es eine Krankheit. Ich habe von einer Stunde auf die andere so starke Schmerzen in den Beinen bekommen, dass ich kaum mehr laufen konnte. Daraufhin begann ich mein Leben umzustellen. Diese Umstellung hat mir gezeigt, dass Veränderung möglich ist. Ich bin dadurch bewusster und dankbarer geworden.

Jezler: Für mich war die Besetzung des Bundesplatzes im September vor zwei Jahren ein wichtiger Moment. Dort versammelten sich zum ersten Mal die verschiedensten Gruppierungen und forderten ambitioniertere Klimaziele in der Schweiz. Dort ist mir tiefgreifend bewusst geworden, was wir alles tun müssten, aber auch, wie kompetent die Bewegung ist und wie viel wir tun können.

Borer: Was gibt euch Kraft, motiviert euch, Verantwortung zu übernehmen?

Fonseca: Musik, ich bin mit viel Musik aufgewachsen, das inspiriert mich, gibt mir Hoffnung.

Jezler: Ich dachte immer, dass politische Verantwortung eine Belastung sei. Aber es ist das Gegenteil. Engagiert zu sein ist das, was mir Kraft und Hoffnung gibt.

Henke: Es gibt viel richtiges Klimahandeln in einem falschen beziehungsweise unzulänglichen Klimaregime. Es gibt Mikroutopien – ‹Now-topias›. Daran glaube ich.


Zur Abstimmung: Im Kanton Basel-Stadt können Stimmberechtigte am 27. November an den Urnen oder bis zum 22. November auf dem Postweg ihre Stimme abgeben.

Insgesamt braucht es 30 000 Stimmen, damit die Initiative angenommen wird.

Zur Petition: In Basel wohnhafte, aber nicht stimmberechtigte Menschen können die Initiative mit einer Petition unterstützen: Basel 2030/Petition

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