Ich habe mich bemüht, diese Versuchungsszene so zu erzählen, wie sie wirklich war. Jetzt trat Luzifer dem Christus Jesus entgegen und sagte zu ihm ungefähr die Worte, die ja auch in den anderen Evangelien stehen: Ich will dir alles geben, was an Schönheit und Herrlichkeit in den alten Reichen ist, wenn du in mein Reich eintrittst. Die Christus-Wesenheit kannte zwar nichts von der luziferischen Verführung in der Welt, aus der sie kam; sie wusste aber, wie man den Göttern dient, und sie war so stark, um Luzifer zurückzuweisen.
Da machte Luzifer eine zweite Attacke, aber jetzt holte er sich Ahriman zu seiner Unterstützung heran, und sie sprachen jetzt beide zum Christus. Stürze dich hinunter von der Zinne! Wenn du mich anerkennst, werde ich die Folgen des Sturzes aufheben und es wird dir nichts geschehen. Aber da sie beide auf ihn einstürmten und sich gleichsam in ihrem Drängen die Waage hielten, konnte er sich vor ihnen retten.
Da schickte Ahriman den Luzifer weg und machte die letzte Attacke und er sagte, was ja nachklingt im Matthäusevangelium: Mache die Steine zu Brot! – Da sagte die Christus-Wesenheit zu Ahriman: Die Menschen leben nicht von Brot allein, sondern von dem, was als Geistiges aus den geistigen Welten kommt. – Das wusste die Christus-Wesenheit am besten, denn sie war ja eben erst herabgestiegen aus den geistigen Welten. Da antwortete Ahriman: Du weißt nur, was der Geist tut, der aus den Höhen heruntersteigt. Du warst aber noch nicht in der menschlichen Welt. Da unten in der menschlichen Welt gibt es noch ganz andere Menschen, die haben wahrhaftig nötig, Steine zu Brot zu machen, die können unmöglich sich bloß vom Geiste nähren. Das war der Moment, wo Ahriman zu Christus etwas sprach, was man zwar auf der Erde wissen konnte, was aber der Gott, der eben erst die Erde betreten hatte, noch nicht wissen konnte.
Gekürzt aus Rudolf Steiner, GA 148, S. 85.
Bild ‹Menschheitsrepräsentant›, Skulptur von Rudolf Steiner und Edith Maryon, Foto: Xue Li