Die drei Himmel

Dreimal ist im ‹Faust› der Himmel: am Anfang, wenn Gott und Mephisto die Seele Fausts verhandeln, am Ende, wenn Faust hinaufsteigt und in der Mitte, wenn Gretchen die Himmlischen im Kerker zu sich ruft. Es ist der Weg vom väterlichen, ordnenden Himmel zum gütigen, weiblichen Grund, die Erde, Mater, wird zum neuen Himmel.


Hat am Anfang der Herr das Wort, so hat es am Ende Mater. Dazwischen liegt der Kerker, die Gottverlassenheit, die Einsamkeit, die furchtbare Einsicht, auch von sich selbst verlassen zu sein. «In der stummen Stille aber reift», dichtet Rudolf Steiner über diesen inneren Kerker, über die Sprache, die wir dort sprechen lernen. Im Christentum ist das Kreuz das große Bild. Nicht oben, wie die goldene Spitze der ägyptischen Pyramiden es verspricht, nicht dort, wo jeder Kirchturm, jedes Minarett es glauben lässt, nicht dort ist der Himmel, sondern dort, wo im Kreuz sich die Linien treffen, in der Mitte. Dreimal führen wir jetzt am Goetheanum – vorläufig zum letzten Mal – den ‹Faust› auf, dreimal im Goetheanum den Weg, den Goethe zeigt, vom alten zum eigenen, neuen Himmel. Gretchen empfängt im neuen Himmel, weil sie den eigenen durchlebt, durchlitten hat. Der neue, der weibliche Himmel kommt im Kerker zur Geburt.


Foto: Lucia Hunziker

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