Zum Gesundsein brauchen wir Hoffnung, Wärme in der Liebe zum anderen Menschen, Perspektiven und eine Sinnsetzung in der Biografie. Geisteswissenschaftliches Verständnis und Umgang mit Schmerzen tragen zur Heilung bei, weil sie erlauben, sich selbst als Mensch und kosmisches Wesen zu begreifen. David Garvin und Matthias Girke erzählen von ihren Erfahrungen mit Schmerzpatienten und dem anthroposophischen Therapieansatz, das Ätherische als Ort der Wandlung aufzufassen.
Wir überschreiten die Brücke zwischen der menschlichen Konstitution und der geistigen Welt mindestens zweimal am Tag. Wir sind vertraut mit der Brücke, uns aber nicht bewusst, was an ihren Enden geschieht. Wenn ich begeistert bin von Idealen, wenn ich die Idee des Guten habe und danach tätig bin, wird mein ganzer Körper von der Begeisterung erwärmt. Die Wärme arbeitet in die Luft, die Luft in das Flüssige, das Flüssige wirkt in das Feste. Alles zusammen bringt neue Samen des Lebens hervor. Das sind Resultate, die im Körper durch moralische Gedanken hervorgebracht werden. Anders im Alltag, beim Einkauf, am Computer arbeitend, kühlt sich der Organismus ab. Die Lichtquellen paralysieren sich. Die Tonebenen im Astralischen sterben ab, und das Leben verschwindet. Das Selbstbewusstsein des Ego ist allerdings vom Tod abhängig, braucht die mineralische Sphäre im Körper. Unsere Tagesaktivitäten zerstören also Substanz. Aber in der Nacht tritt das Orchester des Ätherischen hinzu, welches Substanz wieder aufbaut, abhängig davon, wie meine ‹moralische Aktivität› ist. Meine Organe können feiner genutzt werden. Sie schaffen ein Gut in mir, welches, wenn ich sterbe, Teil des evolutionären Wandels wird. Wir haben eine Rolle im kosmischen Evolutionsprozess. Dabei ist es ein Prozess in beide Richtungen: vom Körper, vom Substanzhaften in den Kosmos und vom Kosmos in die Substanz.
Kreuzgänger
Im Matthäusevangelium beschreibt Rudolf Steiner, dass Christus beide Richtungen auf der Brücke beschritten hat, und zwar voll bewusst. Die Versuchungen in der Wüste, als er in den Körper einzog, konnte er wegen der Stärke seines Egos bestehen. In der Kreuzigung machte er die Reise aus seinem Körper in den Kosmos. Er tat es für unsere Rettung und seitdem ist jedes menschliche Mitglied gesegnet und ist ihm die Kraft des Christus zugänglich. Diese beiden Reisen ertragend und das Wissen in den Körper bringend, kam er in die Position, das neue Königreich zu verkünden. Die zweite Danksagung an den Christus bezieht sich auf das Leiden. Es gibt eine Stelle in der Bibel, die von Rudolf Steiner folgendermaßen verstanden wurde: ‹Gesegnet sind jene, die leiden und ihren Weg zu Christus finden. Sie können erfüllt werden mit neuer Wahrheit und dem Trost durch all ihr Leid hindurch. Wir müssen eine Bewegung in Richtung des Christus machen, um unseren Weg zu finden.› Auf der Brücke, die den Kosmos und den physisch-ätherischen Körper verbindet, stecken die Patienten in der Mitte fest. Sie stehen zwischen Schmerz auf der einen Seite und Schlaflosigkeit auf der anderen Seite. Die Konsequenz ist, dass sie halbschlafend sind am Tage und halbwach in der Nacht. Wenn sie in unserer Klinik ankommen, sind sie in einem zermürbten, verkrampften Zustand. Viele haben schon seit langer Zeit Schmerzen, lange Medikamente genommen und ihnen ist wenig Hoffnung geblieben. Viele haben aufgrund ihrer langen Erkrankung ihre Arbeit und finanzielle Grundlage verloren. Ihre soziale Isolation ist groß, auch weil wir in London Menschen aus der ganzen Welt haben, die manchmal kaum richtig Englisch sprechen. Neunzig Prozent von ihnen glauben an Gott und stammen aus religiösen Kulturen. Das macht meine Arbeit viel einfacher. Viele empfinden sich als ein Niemand, sie können sich selbst nicht mehr erkennen. Sie fühlen sich schuldig, haben wenig Selbstvertrauen.
Ich höre und erzähle die Geschichte
Der Ätherleib trägt die Kräfte des Christus seit der Kreuzigung und ist für Ärzte und Therapeutinnen der Ort, auf den sie ihr Bemühen hinrichten. Meine Arbeit besteht darin, den Patienten zuzuhören. Ich höre zu und dann erzähle ich ihnen ihre eigene Geschichte noch einmal – ein Prinzip der Geisteswissenschaft. Ich versuche, ihnen klarzumachen, dass ihre Seele am Morgen nicht in den Leib einkehren möchte, wenn er so krank ist, wenn am Abend unterdrückende Schmerzmittel genommen werden, wenn das Schütteln eines Tremors eine gute Verbindung zum Ätherischen verhindert. Wir versuchen, ihnen ein Fundament zu bauen, durch Betrachtung und Gespräch, sodass sie wieder einsteigen können in ihre Lebensprozesse. Sie sind empfänglich dafür und werden schnell wach für diese Körperwahrnehmungen. Die Astralität, mit der sie umgeben waren, wie Schuldgefühle, Scham, Wut, Ohnmacht, Enttäuschungen, wird durch unsere Therapien in den Körper zurückgeführt. Sie werden offen, sanft und empfänglich. Man bemerkt ein Licht um sie. Ich frage mich, ob das Licht ausstrahlt gerade wegen ihres langen Leidens? Sie treffen also auf eine Therapie, die ihre Bedürfnisse aufgreift im physischen, ätherischen und astralen Leib. Ihre Persönlichkeit gewinnt wieder Stärke. Das Leid, die Krankheit tritt in den Hintergrund. Das sieht man an der Art, wie sie mit uns und ihren Verwandten umgehen. Sie bringen einen großen Enthusiasmus mit. Sie sind begeistert davon, was sie da selbst tun, und vom Sinn, den sie darin finden. Was wir dort tun, ist Geisteswissenschaft. Sie haben dieses Wort aber niemals gehört. Diese Menschen, die ihr Leben mit einem sehr geschädigten Ätherleib beginnen, meist aus der Kindheit stammend, haben den Schlüssel für eine neue Art Initiation, nämlich vom Körper aufwärts. Dabei werden unsere Patienten und Patientinnen zu unseren Lehrerinnen und Lehrern.
David McGavin · Übersetzung: Gilda Bartel
Janus
Schmerz hat eine janusförmige Gestalt. Er blickt in die Vergangenheit und in die Zukunft. Er kennt das Woher und fragt nach dem Wohin. Beim Schmerz und seiner Entstehung – ich spreche vor allen Dingen vom chronischen Schmerz – brauchen wir die Orientierung nach Geist, Seele und Leib. Es gehört zu den weitsichtigen Darstellungen Rudolf Steiners, dass die chronischen Schmerzsymptome etwas zu tun haben mit dem Leid aus der Kindheit. Wir kennen heute etliche Untersuchungen, die zeigen, wie Menschen, die traumatische Erfahrungen in der Vergangenheit erlitten haben, mehr zu muskulär-skelettalen Schmerzen neigen. ‹Kindlicher Kummer›, also Seelenschmerz, kann zu Körperschmerz werden. Umgekehrt gefragt: Wie entwickelt sich aus körperlichem Schmerz wieder etwas, was im Seelischen sich verwandelt? Was dazu führt, dass Schmerz sich zu etwas verwandelt, was aus der Dunkelheit und Isolation in ein Licht führt. Das gehört zur ‹Brückennatur› des Schmerzes. Schmerz, so Rudolf Steiner, ist immer die Geburtsstätte höherer Erkenntnis. Es gibt keine große Erkenntnis, die nicht aus dem Schmerz geboren ist. Er gehört zu unserem Entwicklungsweg.
Schmerzarten
Wir kennen Schmerzen, die ganz mit dem geistigen Wesen des Menschen verbunden sind. Sie werden seelisch erlebt, wenn wir keinen Sinn finden, keine Perspektive sehen, wenn Finsternis biografisch empfunden wird. Dann ringen wir nach neuer Sinnfindung, neuer Sinnsetzung. Wenn neuer Sinn auftreten kann, entwickelt sich etwas von Erlösung aus Schmerz. Dann kennen wir den seelischen Schmerz, der meist mit dem Sozialen zusammenhängt. In modernen Schmerzkonzepten, wie zum Beispiel dem Total Pain Concept, gehört dieser Bereich selbstverständlich dazu. Denn er ist der Ort, der häufig mit dem Trauma in Verbindung steht, wo Menschen in Beziehung stehen und etwas eintritt, was ganz typisch für den Schmerz ist: Er isoliert und führt in die Einsamkeit und lähmt das Atmen. Es ist unendlich wichtig, dass wir darin wieder Atmungsfähigkeit entwickeln können. Dann haben wir den leiblichen Schmerz. Ein wichtiger Hinweis von Rudolf Steiner, entscheidend für die Schmerztherapie, war: Schmerz hat doch eine Kraft oder eine Energie. Es kann Energie in dieser Welt nicht einfach verloren gehen. Was passiert, wenn wir Schmerz unterdrücken? Dann, so Steiner, entsteht aus Körperschmerz der Seelenschmerz. Wenn wir den leiblichen Schmerz ausschalten, transformiert er sich oftmals von der körperlichen in die seelische Ebene. Wenn man an die verschiedenen Patienten und Patientinnen denkt, gerade mit langen Schmerzzeiten, mit vielen Opiaten, und dann das Seelenleid, das zur Einnahme von Antidepressiva führt, bekommt man einen Eindruck dieser Verwandlung von körperlichem in seelisches Leid. Wir können also bei jedem und gerade bei chronischem Schmerz die Frage nach der Vergangenheit stellen. Woher kommt der Schmerz? Er selbst bildet einen Augenblick, der aber die Augen öffnet in Richtung der Zukunft und an sich eine Erlösung will, über das Seelische wieder zu dem, was geistige Qualitäten sind.
Die Nachtwirksamkeit
Jeder Schmerz bedeutet, dass das Astralische in unseren Organismus zu tief eingreift. Bewusstsein erscheint in Bereichen, wo sonst kein Bewusstsein existiert. Jedes zu starke Eingreifen bedingt Abbauprozesse im Ätherischen. Deshalb beschäftigen wir uns bei Schmerzpatienten mit dem Ätherischen. Wie stärken wir den Aufbau, die Nachtseite? Es gibt auch einen anderen Schmerz, der seelisch erlebt wird, der entsteht, wenn sich der Ätherleib vom physischen Leib löst. Das wird als eine Ursache von Schmerz von Rudolf Steiner schon 1906 beschrieben. Wo das Ätherische nicht mehr im inneren aufbauenden Wirken ist, sondern sich herauslöst und trennt. Wenn das Ätherische an seiner aufbauenden Nachtwirksamkeit gehindert wird, erlebt es das Astralische als Schmerz. Jede ruckartige Trennung des Ätherischen vom Physischen wird als Schmerz erlebt. Das ist auch der Fall, wenn Menschen Suizid begehen. Deshalb ist es wichtig, dass wir bei Schmerzpatienten auf die Nacht und den Schlaf achten, wo sich die oberen Wesensglieder lösen und eintauchen in die aufbauenden Prozesse der Nacht. In jeder Nacht gestalten wir unser Schicksal unterbewusst, führen wir wieder Urbilder in den Leib, führen wir Karmakräfte in unser Leben ein.
Hilfreiche Worte. Danke.
Schmerz mit allergie oder allergieen mit Schmerzen in menschlichen organen sind Krankheiten,heute dominant zu werden durch Verschmutzung Luft,Wasser und Erde?
Wie zu schützen dagegen,preventiv instatt curativ?
Dank für die Gesichtspunkte.