Dhanyawaad

In Indien ist ‹Dhanyawaad› das Wort, das dem Deutschen ‹Danke› am nächsten kommt. Es bedeutet sinngemäß ‹Ich bin in tiefer Dankbarkeit›. Dementsprechend selten wird es auch verwendet. Ich erlebe in Indien eine tragende Selbstverständlichkeit, Dinge füreinander zu tun, ohne sich dafür explizit bedanken zu müssen.


Es ist dann Mimik oder auch Gestik, die Dankbarkeit ausdrückt – ein kurzes Senken des Blickes, verbunden mit einem Nicken oder, verstärkt, beide Hände vor der Brust zur Gebetshaltung zusammenbringen, wie es in Indien auch als ‹Namasté› zur Begrüßung üblich ist. Alte Menschen zeigen Dankbarkeit vor allem, indem sie eine Hand wie zum Segen auf die Stirn oder den Kopf des Menschen legen, dem sie danken. Kaum jemand würde von ihnen ein gesprochenes ‹Dhanyawaad› erwarten. Es geht in Indien weniger darum, sich aus Höflichkeit zu bedanken und ein Wort dafür auszusprechen, sondern zu fühlen, dass ein anderer Mensch etwas Gutes für mich getan hat. Das hat weniger mit ihm persönlich zu tun, sondern ich fühle mich durch ihn verbunden mit etwas Göttlichem. Es ist auch Ausdruck davon, dass im indischen Verständnis letztendlich jede Tat (Karma) durch eine Inspiration des Göttlichen geschieht. Die Dankbarkeit gilt deswegen auch dem Göttlichen. Jemand, der dem spirituellen Leben verbunden ist, würde ein ‹Dhanyawaad› kaum akzeptieren, sondern es mit dem Hinweis auf die göttliche Inspiration beantworten – weil er sich nicht selbst als machend betrachtet, sondern als ausführend. Seit der Kolonialzeit hat sich das englische ‹Thank you› deutlich stärker in den Sprachgebrauch eingewoben, vor allem unter jüngeren Menschen. Es ist anzunehmen, dass es ‹Dhanyawaad› und vor allem die damit verbundene Haltung ein Stück weit verdrängt hat.

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