Kunstintensivwoche
Zu den erstaunlichsten Leistungen Rudolf Steiners gehört wohl die radikale Umwandlung des Gestaltungskonzeptes des Ersten Goetheanum in einem völlig neuen Entwurf für den zweiten Bau. War das Erste Goetheanum noch ein eher introvertierter Holzbau, durch welchen versucht wurde, den Inhalt der Anthroposophie mittels Kunst erlebbar zu machen, so wurde nach der Brandkatastrophe 1922 der zweite Bau zu einem expressiv gestalteten Betonbau. Dieser entfaltet sich in der Spannung zwischen einer in sich ruhenden Ostseite und einer sich zur Welt öffnenden Westseite.
Das Konzept für diesen Bau wurde erstmals während der Weihnachtstagung 1923/24 präsentiert. Dort wurde die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft neu gegründet, der Grundsteinspruch als ihr geistiges Fundament übermittelt, die Statuten als ihre soziale Gestalt den Mitgliedern übergeben und die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft als ihr Herzstück eingerichtet. Wie verhalten sich der Inhalt des Grundsteinspruchs, die Statuten der Gesellschaft und die Zielsetzung der Freien Hochschule zu der lebendigen Gestaltung ihrer architektonischen Behausung? Sie alle entstanden gleichzeitig aus der gleichen Quelle und dem gleichen Geist. Können wir diesen Geist in seinen baulichen Ausprägungen erkennen und lesen, welche Botschaften und Anregungen er bis heute hat?
Diese Fragen werden durch Architekturbetrachtungen, Zeichnen, künstlerische Übungen in Arbeitsgruppen und inhaltliche Beiträge an der Kunstintensivwoche vom 18. bis 25. Juli in deutscher und englischer Sprache ergriffen. Einen Leitfaden bilden dabei die Motive der farbigen Fenster des Goetheanum, welche den Blick über die Schwelle in die geistige Welt führen und die menschliche Wesenheit als Mikrokosmos in ihrem Zusammenhang mit dem Makrokosmos sichtbar machen. Die Fenster eröffnen auch eine Perspektive auf eine weitere geistige Entwicklung von uns Menschen.
Bild Westeingang Goetheanum, Foto: Sofia Lismont