Wie das Erscheinen von Kaspar Hauser in den Straßen von Nürnberg 1828, ist die Geschichte von Demetrius vom Anfang des 17. Jahrhunderts geheimnisvoll.
Die Geschichte lässt vermuten, dass Boris Godunow den 1591 verübten Mord an Thronfolger Demetrius, Sohn des Schreckenszaren Ivan IV., befahl. Der Mord blieb umstritten und Gerüchte über eine Flucht verbreiteten sich. Marva war die Erzieherin des jungen Demetrius. Die Legende erzählt, dass sie ihren eigenen Sohn als den geflüchteten Erbprinzen ausgab. Die unrechtmäßige Godunow-Dynastie übernimmt das Zarentum. Das dramatische Fragment von Schiller setzt voraus, dass es sich beim aufständischen Demetrius um den ‹falschen› handelt, der allerdings über soziale Fähigkeiten und Führungsvermögen verfügt. Johannes Händler bringt nun mit einem freien Ensemble Herman Grimms Blick auf Demetrius auf die Bühne.
Welches Licht wirft Herman Grimm auf Demetrius?
Selbst die anthroposophischen Autoren Peter Tradovsky und Sergej Prokofiev sind ja kontrovers. Bei Schiller ist es ein entlaufener Mönch, der benutzt wird, bei Hebbel ein natürlicher Sohn des Zaren Ivan. Herman Grimm kümmert sich überhaupt nicht um historische Tatsachen. Er zeigt die Seelenkämpfe eines Menschen, des Zaren, der vom Volk geliebt wird, Frieden gestiftet hat. Er hat Gerechtigkeit auf seine Fahne geschrieben und erfährt nun, dass er nicht der Sohn des Zaren ist, dass er als Baby ausgetauscht wurde. Wie verhält er sich? Es ist eigentlich ein Kammerstück mit nur fünf Rollen, das macht es als Stück für uns interessant.
Wie ist das Freie Ensemble entstanden?
Vor Jahren habe ich mit Schauspielstudenten den Demetrius von Hebbel einstudiert. Später stieß ich auf den Text von Grimm und integrierte ihn in eine dramatische Rezitation. Meine Kollegen drängten mich nun, wir sollten doch den ganzen Grimm auf die Bühne bringen. Ich suchte Kollegen, Freunde, ehemalige Studenten der Schule am Goetheanum, und so hat sich das Ensemble gebildet (Patrick Exter, Marion Lieberherr, Fridjof Kronmüller, Elena Krasotkina, Ondrej Sofranko und andere).
Was hat dich bei der Inszenierung geleitet. Welche Idee hast du verfolgt?
Der Duktus der Handlung ist nicht unbedingt russisch, sie könnte auch in einem deutschen Fürstentum des 19. Jahrhunderts lokalisiert sein. So wird auch die Aufmachung nur andeutungsweise russisch sein. Grimm schreibt fünffüßige Jamben und die Sprachbilder und Formen sind klassisch, romantisch mit dramatischen Dialogen, auch tiefgreifende, erschütternde, seelische Monologe. Ich möchte die Schauspieler dahin bringen, die Gestaltung der Sprache, die in diesen Versen vorhanden ist, so mit Gebärde und seelischem Erleben und Ausdruck zu füllen, dass die ‹Sprachgestaltung› ganz natürlich und wie selbstverständlich über die Rampe kommt.