Jacques war ein echter Pariser. Im Sommer 1966 war ich auch ein kleiner Pariser von 12 Jahren und durchstreifte Paris meinen Möglichkeiten nach mit weit geöffneten Augen.
Meine Kenntnis von Paris war viel bescheidener als diejenige von meinem Bruder Jacques, der Paris mit geschlossenen Augen durchwandert hat. In jenem Sommer waren er und seine Frau Marie auf der Durchreise. Jacques besuchte während solcher Sommerpausen unseren Vater und meine Mutter. Das ist die Haupterinnerung, die ich von Jacques habe. Ich erinnere mich, dass er mein Cello genommen hat, um sich in sein jugendliches Musizieren zu versetzen. Ich erinnere mich an den intensiven fröhlichen Austausch der vier Erwachsenen am Esstisch. Ich erinnere mich, wie Jacques im Gespräch nach der Wasserkaraffe griff und sich eingoss. Seine Blindheit war kein Thema während solcher Gespräche. Am Ende des Essens wandte er sich an Marie: «Bist du damit einverstanden, dass ich François mein Paris zeige?» So sind wir mit Marie am Steuer durch Paris gefahren. Ich war überglücklich. Jacques gab Marie Anweisungen: hier links, jetzt rechts. Es ist nicht überraschend, dass ein Blinder sich so orientieren kann. Warum rufe ich diese Erinnerung herbei? Weil sich auf diesem Spaziergang etwas vom Verhältnis von Jacques zur Anthroposophie zeigt.
Aus Goetheanum.tv François Lusseyran, Der Mut des Lebens – Über Jacques Lusseyran (1924–1971).
Bild François Lusseyran während seines Vortrages. Screenshot goetheanum.tv