Das Glänzen der Natur ist höheres Erscheinen,
Wo sich der Tag mit vielen Freuden endet,
Es ist das Jahr, das sich mit der Pracht vollendet,
Wo Früchte sich mit frohem Glanz vereinen.
Das Erdenrund ist so geschmücket, und selten lärmet
Der Schall durchs offne Feld, die Sonne wärmet
Den Tag des Herbstes mild, die Felder stehen
Als eine Aussicht weit, die Lüfte wehen
Die Zweig’ und Äste durch mit frohem Rauschen
Wenn schon mit Leere sich die Felder dann vertauschen,
Der ganze Sinn des hellen Bildes lebet
Als wie ein Bild, das goldne Pracht umschwebet.
Friedrich Hölderlin, aus: Sämtliche Gedichte und Hyperion. Frankfurt am Main/Leipzig 1999, S. 470.
Der goldene Herbst: glänzende Vollendung, reiche Ernte, ein festliches Blätterrauschen, aus dem heraus sich die Leere der Felder und Äste schon ankündigt.
Johanna Lamprecht
Zeichnung von Philipp Tok
Hölderlin hat das Gedicht auf den 15. November 1759 datiert, geboren wurde er aber 1770. Ein Mysterium, wie kann das denn sein?
https://hoelderlinturm.de/dauerausstellung/haelfte-des-lebens/
Ich schätze die Lyrik Hölderlins, die in der ersten Auswahl von 1826 dargeboten wurde: ‹Der Gott der Jugend›, ‹Der blinde Sänger› und so weiter, insgesamt fast 70 Gedichte. Diese Ausgabe wird, so oder geringfügig erweitert, auch Friedrich Nietzsche zur Hand genommen haben.
Ich halte das «Spätwerk» von Friedrich Hölderlin für sein Hauptwerk. Es mag Menschen geben, die glauben, in seinem «Spätwerk» hätte Hölderlin Menschen böswillig und bösartig aufs Korn genommen. Vermutlich Verrückte! Wie man an diesem Exempel schön exemplifizieren kann war Hölderlin ein Meister seines Fachs, ein Mann der unsere Herzen und Gemüter mit holder Dichtkunst zu erfreuen vermochte.