Der gefragte Rudolf Steiner

Es ist erfreulich, dass der Verlag sich zum neuen Band GA 244 ‹Fragenbeantwortungen und Interviews› entschieden hat, denn die Lesenden gewinnen einen guten Eindruck von der Vielfalt, worüber Rudolf Steiner sprach, wie auch von seiner Art, auf Fragen zu antworten.


Manchmal waren Rudolf Steiners Antworten sehr kurz und er konfrontierte Fragende mit der Unzulänglichkeit der Frage. Es gibt aber auch sehr ausführliche Betrachtungen als Antwort. Seine Übersicht ist erstaunlich, seine Klarheit eindrucksvoll. Dank des Buches gewinnt man einen einzigartigen Querschnitt eines großen Zeitraums des arbeitsreichen Lebens Rudolf Steiners. Wie ging es vor sich, wenn Rudolf Steiner Fragen beantwortete? Ein Augenzeuge berichtet: «Nach den öffentlichen Vorträgen konnten auf Papier geschriebene Fragen auf das Rednerpult gelegt werden. Nach der Pause betrat Dr. Steiner das Rednerpult und durchflog rasch die Zettelchen. Er griff eines heraus und las die Frage vor. Während er sie beantwortete, sortierte er die Papiere weiter. Manchmal erwies es sich, dass die Fragen auf ungenauem Zuhören beruhten. Er wiederholte dann die genaue Formulierung seines Satzes. Es war bewundernswürdig einleuchtend, wenn er so einen Frager zurechtwies. Ab und zu wurde er gefragt, wie sich seine Mitteilung zur Ansicht eines bestimmten Gelehrten verhalte. Jedes Mal – so oft als ich es miterlebte – zeigte sich Rudolf Steiners absolute Vertrautheit mit den Schriften des betreffenden Gelehrten.»1

Die Fragen und Themen, die Rudolf Steiner behandelte, zeigen eine unglaubliche Vielfalt. Ich nenne einige, die mehrmals vorkommen, ohne vollständig zu sein: der Mensch, Kosmologie und Erdenentwicklung, die Hierarchien, Christus und das Christentum, Reinkarnation und Karma, Geisteswissen und Schulungen, Ernährung, Medizinisches, Anthroposophie und Wissenschaften, Dreigliederung, Theosophie im Unterschied zur späteren Anthroposophie, Anthroposophische Gesellschaft, Zukunft der Geisteswissenschaft und Anthroposophie. Beim Lesen bemerkte ich, dass viele der gestellten Fragen auch die Fragen unserer Zeit sind: aktuell und praktisch. Das gilt auch für die Antworten! Dabei ist eine anthroposophische Grundbildung notwendig, um Rudolf Steiners Antworten genügend bis vollständig verstehen zu können. Man sollte bedenken, dass insbesondere von den vor dem Ersten Weltkrieg aufgezeichneten Fragenbeantwortungen in den meisten Fällen keine Stenogramme überliefert noch mitschreibende Personen bekannt sind. Deswegen schreibt der Herausgeber mit Nachdruck: «Aus diesen Gründen können diese Aufzeichnungen nur unter Vorbehalt als authentische Aussagen Steiners bewertet werden.»

Dank des Buches gewinnt man einen einzigartigen Querschnitt eines großen Zeitraums des arbeitsreichen Lebens Rudolf Steiners.

Es gibt im Buch mehrere Interviews, die Rudolf Steiner für die in- und ausländische Presse gab. Dabei sind seine Äußerungen und Berichte über den schmerzlichen Brand des Goetheanum und dessen Ursache auffallend sachlich. Interessant ist auch das Interview zur Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges. Er schildert hier wenig bekannte Einzelheiten über die Geschehnisse. Er schließt seine Bemerkungen, um «die Diskussion über die ‹Schuld› am Kriege auf eine andere Grundlage zu stellen als diejenige ist, auf der sie heute in der Welt steht». Es ist spannend, mit diesem äußerst faszinierenden Buch so konkret quer durch die unterschiedlichen Aktivitäten Rudolf Steiners geführt zu werden. Die Sorgfältigkeit der Ausgabe gebietet Ehrfurcht. 

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Footnotes

  1. Alle Zitate stammen aus dem Buch.

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