Schon an der Tür zur Seitenbühne klebt ein Schild mit ‹Kein Eintritt, Aufnahme!› und ‹Vorsicht, leise!›. Tritt man dennoch ein, sieht man die Techniker der Jugendsektion und der Bühne vor einer Wand von Bildschirmen, verbunden mit Hunderten von Kabeln in allen Farben.
Die Atmosphäre ist konzentriert und gelassen. «Du willst auf die Bühne? Warte, ich geh’ mit dir. Dein Handy ist aus?» Sie wirken außerordentlich verantwortungsvoll. Trägt die Technik dazu bei? Wir öffnen die Tür zur Hauptbühne. Da steigert sich die Szenerie. Drei Kameras blicken auf die zwei Vortragenden, und wieder die gelassene konzentrierte Haltung der Kameraleute und der Vielzahl an weiteren technischen Aktivistinnen und Aktivisten. Mit Bändern ist der Blickwinkel der Kameras abgesperrt. Ein imaginär abgezirkelter Raum, an dem sich etwas Weltbewusstsein abspielt. Alle sind leise. Welch ein Aufmerksamkeitsraum, als könne man spüren, dass die 1000 Tagungsteilnehmenden mit ihren Augen und Ohren über Mikrofone und Kameralinsen mit auf der Bühne sind und jedes ungewollte Husten und Rascheln aufnehmen. Es lohnt sich, an einem solchen ‹Tagungsdreh› dabei zu sein, um zu bemerken, dass ähnlich wie in einem Tempel auch hier die Stille zum Gebot wird, ähnlich wie in einem Tempel die Wege geordnet sind und ähnlich wie in einem Tempel alle Anwesenden um das Gut der Aufmerksamkeit wissen – und in der Mitte ein Bildschirm, der für die Vortragenden die Minuten Redezeit herunterzählt. Es ist aber kein Tempel, es ist jetzt ein Studio.
Mit der Videoaufzeichnung und dem digitalen Versand der Bilder, Gedanken und Worte in Sekundenschnelle in alle Welt taucht vieles von dem, was man aus Tempel und Kirche kennt, im digitalen Gewand wieder auf. Da ist Andacht und Aufmerksamkeit auf der Goetheanum-Bühne, da ist Stille und Strenge, und da ist – und das ist neu – eine Leichtigkeit und seelische Unmittelbarkeit, wie man es sich bei manch physischen Veranstaltungen herbeigesehnt hat.
Titelbild: Xue Li