Spätestens als Klaus Schmidt die Bauten von Göbekli Tépé an der türkisch-syrischen Grenze entdeckte und auf 11 000 v. Chr. datierte, wackelte das akademische Bild der menschlichen Vor- und Frühgeschichte.
«Unsere Geschichte beginnt viel früher», sagt mit Recht der Filmemacher Graham Hancock. In der aufgeladenen ‹Netflix›-Serie ‹Ancient Apocalypse› sucht er hochentwickelte Zivilisationen während der letzten Eiszeit. Während die heutige Altertumswissenschaft Mythos und Wissenschaft trennt, gräbt er in den Erzählungen und Mythen nach Hinweisen auf verschollene Kulturen. In der Tat gibt es weltweit Überlieferungen mit Hinweisen auf vorgeschichtliche Katastrophen, vergleichbar der biblischen Sintflut, und Schöpfungsmythen über höhere Wesen. Die mythische Spuren- und Schatzsuche erscheint wie ein Gegenentwurf zu der auf Rationalität beruhrenden Geschichtsschreibung von Yuval Noah Harari. In einer Mischung aus Kriminalistik und Abenteuerreise entwickelt Hancock Vermutungen, um die immer reicheren archäologischen Funde der letzten 30 Jahre mit den Mythen in Beziehung zu bringen. So führt die Serie am Anfang nach Java, wo 50 000 Basaltsäulen zu gewaltigen Anhebungen und Bauwerken aufgehäuft wurden, die auf ein Alter von bis zu 7200 Jahren taxiert werden.
Die öffentliche Diskussion zeigt dabei ein vertrautes Bild, bei dem ‹Archäologen› und Altertumswissenschaftlerinnen gegen die mythisch inspirierten Spurensucher und -deuterinnen antreten. Die Tageszeitung ‹The Guardian› schob Hancock in die Sparte des ‹Verschwörungsdenkens›: «Zu glauben, dass ultraintelligente Kreaturen beim Bau der Pyramiden geholfen haben, ist eine Sache, aber wo hört das auf?»1
Der Bestsellerautor Graham Hancock arbeitet seriöser als Charles Berlitz oder Erich von Däniken in den 80er-Jahren. Deshalb ist zu hoffen, dass die Geschichtswissenschaft durch die weltweit ausgestrahlten Erzählstunden von Hancock sich dafür öffnet, geistige Inspiration und Offenbarung als Teil der menschlichen Geschichte anzuerkennen.
Foto Hulki Okan Tabak