Welche Bedingungen und Fähigkeiten braucht der Mensch, um ein neues Paradies zu erringen? Ein ökologisches Bewusstsein allein reicht dafür vielleicht nicht aus. Über die Rolle des Sozialen in den heutigen ‹Erdenkrisen›.
Wenn man die Welt retten will, kann man das nicht allein. Ich kann zwar allein in meinem Garten irgendwie ökologisch und bewusst arbeiten und auch versuchen, mit Elementarwesen zu beratschlagen, wie ich meinen Apfelbaum beschneiden soll, aber in Bezug auf die ‹Krisen der Erde› brauche ich mehr Menschen. Denn die Welt ist groß und wir leben mit vielen hier. Vielleicht ist die ökologische Frage tatsächlich so mit der sozialen verbunden, dass es etwas für die Erde macht, wenn bewusst soziale Prozesse geübt werden.
Es will konkret werden
Da gibt es eine Gruppe Jugendlicher, die sich jetzt einen Garten zulegen will. Alle sind noch vor ihrem 18. Lebensjahr. Sie haben träumerische Visionen von einem Ort, wo sie nach der Schule ausspannen, vielleicht Hausaufgaben machen, einige Beete anlegen, natürlich auch mit Freunden Partys feiern und zwischen dem noch verwildert wuchernden Gestrüpp ein paar Hanfpflanzen verstecken können. Sie wollen sich gemeinsam einen Ort schaffen, wo jeder von ihnen sein kann. Das ist ein kleines Stück Erde und auch ein kleines Stück Himmel. Ihre Motive sind lauter, weil irgendwie noch kindlich naiv, noch ohne die abschottenden Enttäuschungen, die das Leben mitunter für den Einzelnen bereithält. Allerdings taucht zwangsläufig die soziale Frage in ihren Überlegungen auf. Und damit sind sie reichlich überfordert. Wie geht das eigentlich, wenn eine Person nicht Anteilseigner ist und somit kein Mitspracherecht hat, aber trotzdem im Garten sein will? Wie verhalten wir uns, wenn sich verschiedene Bedürfnisse überschneiden? Was sage ich, wenn ich nicht will, dass der andere seine Freundin mitbringt, weil ich sie nicht leiden kann? Und darf ich das überhaupt einfach so benennen oder grenze ich ihn damit nicht eigentlich in seinem Anspruchsrecht auf den Garten ein? Auf einmal wird es ganz konkret und tatsächlich überlegt der eine oder andere dann doch, nicht mitzumachen, weil es zu kompliziert wird und man mit so einem Projekt auch aus seiner Komfortzone rausgerissen wird, aus dem, was man sich selbst als Vorstellung von ‹mein Garten› gemacht hat.
Inter-Esse
Es gibt also einen konkreten Garten, ein konkretes Stück Erde und einen sozialen Garten, ein sich im Raum zwischen Himmel und Erde entwickelndes Feld, das bestellt werden will beziehungsweise muss. Das ist ein beweglicher Prozess, und zu viele Regeln dafür aufzustellen, kann auch lähmend wirken. Aber es braucht eine Bereitschaft, sich auf den anderen einzulassen, sich ihm zuzuwenden, eine Wahrnehmung und Aufmerksamkeit für sich selbst, aber auch für den anderen. Ein Inter-Esse, ein Zwischeneinandersein. Das ist ein Seelenraum, der, halb Himmel, halb Erde, vielleicht des Menschen ureigener Gestaltungsraum ist, von dem aus er an dem großen Ganzen mitbauen kann. Es braucht von den Jugendlichen auch den Mut, das Wagnis, anzufangen – das Sich-Einlassen, auch wenn man nicht weiß, wo es hinführen wird oder ob man den Garten vielleicht in einem Jahr wieder abgibt, weil das Experiment gescheitert ist. «Die Unvorhersehbarkeit des Ereignisses ist allen Anfängen und allen Ursprüngen inhärent», nennt es Hannah Arendt. (1) Die Jugendlichen können noch nicht alles wissen, festzurren, abstecken und handhabbar machen. Es ist, als gäbe es einen ‹sozialen Äther›, der auch aus dem Bereich der Bildekräfte stammt, wo ein Fließen und Bewegen herrscht, das sich nicht in Fakten ausdrücken lässt, sondern eher in Klängen, Färbungen, Stimmungen. Dieses Anfangen und dieses Felder-Bestellen geht allerdings nur, wenn es ein konkretes Stück Erde gibt. Ohne diese Erde würden die Jugendlichen in ihrer digitalen Welt bleiben, in der nichts konkret werden kann. Das ist die zweite Erfahrungsschicht, die sie in ihrem Garten machen können: Bauen kann ich nur, wo es Baumaterial gibt. Und jedes Baumaterial hat sein Gewicht. Ohne dieses ‹physische Baumaterial› kann ich auch nicht wirklich Erfahrungen machen, die mich substanziell, nicht virtuell verwandeln können.
Säen und Ernten
Die Frage ist, ob durch die soziale Bereitschaft eine ‹ökologische› Bereitschaft entsteht? Wird durch die bewussten sozialen Auseinandersetzungen, die die Jugendlichen zu führen bereit sind, überhaupt erst ein echter, gefühlter Bezug zur Erde als Lebewesen möglich? Ein Bezug zum Miteinandersein von physischer Welt, mir und dem Himmel in allem? Möchte der Einzelne, dass sich auch andere hier wohlfühlen, dass auch ihre Pflanzen hier wachsen können? Könnte man vielleicht in zwei, drei Jahren wahrnehmen, dass die Stimmung des Sozialen den Garten in seiner Konkretheit zu einem bestimmten Garten gemacht hat, dass es einen äußeren Abdruck gibt von dem, was miteinander zu gestalten man sich entschieden hat? Würde sich also die Wahrnehmungsfähigkeit für die Natur durch die sozial geübte Wahrnehmungsfähigkeit erhöhen beziehungsweise ist das überhaupt zu trennen? Sie werden wachsen sehen, was sie gesät haben.
Bild: Lucas Cranach, Das Goldene Zeitalter (Auschnitt), Öl auf Holz, 75 × 103,5 cm, um 1530, Nationalgalerie Oslo
(1) Hannah Arendt, Denken ohne Geländer. München 2007.