‹Erzählungen›, ‹sprechende Bilder› bestimmen unser Leben. Als sinnstiftende Elemente im kollektiven Bewusstsein haben diese geteilten Bilder mitunter gesellschaftswirksame Strahlkraft.
Oder sie gehen in Familiengeschichten ein als Färbungen der Jugendliebe von Mutter und Vater; als Wesensbestimmungsmöglichkeit des Enkels für die Taten der Großmutter im Zweiten Weltkrieg. Es gibt sogar Narrative über meine eigene Identität in mir.
Ein Narrativ entfaltet seine Wirksamkeit in unseren Seelen und Lebenswirklichkeiten.
Dass wir Ereignisse interpretieren, umdeuten, auffassen, weitergeben, überschreiben, darüber sprechen, sind so gesehen ebenfalls Taten des Narrativs in uns. Etwas Unbestimmtes, Unbekanntes, Unsicheres in ein Erzählbares und Deutbares zu verwandeln, hilft, das Unkontrollierbare oder auch die eigene Hilflosigkeit zu beherrschen. Das Narrativ ist der Raum, in dem ich beschreibe, was sich sehen lässt, erzähle, was sich einordnen lässt, konstituiere, was Wirklichkeit ist und sein soll.
Wenn nun aber einmal das reflektierende Bewusstsein aufhört zu erzählen, welches Bewusstsein kommt dann? Vorerst Schweigen. Das Erzählen kommt zur Ruhe. Vernehmen, Wahrnehmen, Lauschen, ohne zu deuten, ohne zu werten: Bewegungen, Substanzen, Kräfte, Energien, Aktivitäten, Astralgeflirre, Gedankenströme – und Wallungen. In diesem Erfahrungsraum zeigen sich auch Dinge, aber in anderer Art. Man kommt vielleicht auf neue Zusammenhänge. Zumindest aber kommt man in eine Ruhe mit sich selbst. Die bedrängende Macht des ‹Erzählenmüssens› tritt etwas zurück.
In der Art auf das Narrativ der Pandemie geschaut, eröffnen sich Fragen. Woher stammen die Erzählstränge dieses Narrativs? Wie alt sind die schon? Wer schreibt daran alles mit? Ist es das erste Mal in der Weltgeschichte, dass ein ‹Pan-Narrativ› auftaucht? Welches Narrativ von ‹Pan-Wir›, also globalem Wir, würde sich daraus bilden? Und könnten wir das selbst und bewusst hervorbringen?