Am 4. Dezember verband Christiane Haid auf Einladung des Kunstmuseums Basel in der Reihe ‹Raunächte. Dialoge zur Weihnachtszeit› Werke der Bildenden Kunst mit Literatur unter dem Thema ‹Zum Ich›.
Steigt man ganz oben hinauf, ist man schon wegen des monumentalem Formats von rund 9 Meter Breite auf rund 4,5 Metern Höhe beeindruckt: Fünf Frauen im blauen Kleid führen in ‹Blick in die Unendlichkeit› von Ferdinand Hodler mit geneigtem Kopf und tänzerischer Stellung in eine Welt kosmischer Natur. Christiane Haid, Leiterin der Sektion für Schöne Wissenschaften, stellte dieses Bild an den Anfang ihrer Themenführung ‹Zum Ich›. Beim ‹Portrait fluidique› von Jean Dubuffet dominiert ein großer Kopf in Erdfarben, der wegen seiner Proportion an eine Kinderzeichnung erinnert. Ich ahnte: Die ausgewählte Bilderreihe vollzieht Aspekte der Ich-Natur des Menschen im Zuge seiner Inkarnation nach. Die ‹Four Studies for a Self-Protrait› von Francis Bacon sind farbintensive Gesichtsvarianten, Seelenregungen, die gewöhnlicherweise unsichtbar bleiben oder nur kultiviert gezeigt werden. Methodisch geschickt empfahl Christiane Haid, das ‹Portrait d’Annette à la blouse jeune› von Alberto Giacometti mit zunehmendem Abstand zu betrachten: Nah wirkt der Kopf in seinen Schwarztönen skulptural; von Ferne ist es, als ob sich das Antlitz aus peripheren Kräften bildet. Auch bei ‹Caroline› ist der Kopf im Verhältnis zum Leib kleiner, doch tritt dieser hier noch mehr hervor; in der Skulptur ‹Grande figure› gibt es maximale Verdichtung und Formkraft: ein durchgestalteter Körper. All diese Blicke verband Christiane Haid mit Gedanken von Christian Morgenstern, Jean Paul, Dietrich Bonhoeffer und anderen zum Erlebnis der Trennung des Selbst in die Perspektive von Betrachter und Betrachtetem – in Auseinandersetzung mit dem, was Ich in Bild, Heimat und Wesen ist. Juan Ramón Jiménez’ Gedicht ‹Ich bin nicht Ich› setzt etwa seinen Titel unmittelbar fort: «Ich bin jener, der an meiner Seite geht, ohne dass ich ihn erblicke.»
Nächste Veranstaltung ‹Nun ist es Weihnacht› 18. Dez., 18.30 bis 19.30 Uhr. Mit Christiane Haid, Barbara Stuten und Jens Bodo Meier. Ort: Kunstmuseum Basel, Hauptbau