Das Gold der Selbstwirksamkeit

Am 8. Oktober fand auf einem Parkplatz in Berlin-Neukölln die Aktion ‹Goldener Raum› statt. Für Ökologie und Solidarität haben sich junge Menschen mit Unterstützenden vernetzt und einen Generationenfonds gegründet. Es geht um Potenzialentfaltung, Geld als gemeinschaftliches Gestaltungsmittel und ungewöhnliche Begegnungen auf Augenhöhe. Wir sprachen mit Falk Zientz von der GLS-Bank, die dazu eingeladen hatte.


Warum habt ihr Aktivistinnen und Aktivisten zusammengebracht?

Viele junge Leute sind in den letzten drei Jahren für das Klima aktiv geworden, auf der Straße, in Bildungsinitiativen und auch in Start-ups. Dabei wird immer klarer, dass es nicht allein ums Klima gehen kann, sondern dass unser soziales Miteinander genauso dazugehört. Das zeigt sich im Störgefühl darüber, dass wir im alternativen Milieu eine bessere Bildung haben. In Deutschland hängt die Bildung ganz besonders vom Elternhaus ab und markiert insofern eine Spaltung der Gesellschaft. Ich habe neulich bei einer Klimaaktion gegen Lobby-Büros mitgemacht und hörte am Rande zwei ältere Männer sagen: «Alles Abiturienten!» Dieses Störgefühl müssen wir ernst nehmen. Darum sind wir auf die Sozialgenossenschaft Karuna zugegangen, in der sich auch ehemalige Straßenkinder gegen die Obdachlosigkeit engagieren. Hier gibt es ein ähnliches Problem: Die jungen Menschen haben praktisch keine Kontakte über die eigene Community hinaus, keine Aktivitäten mit Gleichaltrigen aus anderen Herkünften. Aber alle wollen das.

Wie kam es zur Idee des ‹goldenen Raumes›?

Angefangen hat es in Berlin-Neukölln hinter dem Kaufhaus Karstadt. Da betreibt Karuna in Containern das Café Pala, auch als Anlaufpunkt für Obdachlose. Auf dessen Dach haben wir uns im Sommer getroffen. Schnell wurde klar: Die Klimaaktivistinnen brauchen Unterstützung für ihre politischen Aktivitäten. Die Karuna-Aktivisten möchten Entwicklungsschritte von einzelnen Menschen ermöglichen: raus aus der Obdachlosigkeit, hin zu gesunden Lebensverhältnissen. Es schien naheliegend, diese beiden Bedarfe in getrennten Gruppen zu organisieren. Als dies jedoch so ausgesprochen wurde, stockte allen der Atem: Ist nicht genau eine solche Trennung die Ursache von vielen Problemen? Sollte es im Klimaaktivismus nicht stärker um persönliche Entwicklungsschritte und im Kampf gegen die Obdachlosigkeit nicht genauso um politische Aktivitäten gehen? Und wenn unsere Herkünfte so verschieden sind, haben wir damit nicht die unterschiedlichen Perspektiven, die wir für eine neue Welt brauchen? Wie cool wären denn gemischte Peergroups, in denen wir uns gegenseitig unterstützen und tragen? Also war klar: Wir kreieren einen gemeinsamen Raum – den ‹goldenen Raum›!

Simon Hoffmann von Demokratische Stimme der Jugend. Aktion Goldener Raum in Berlin, Foto: © Hendrik Rauch

Wie war das Eröffnungsevent? Gab es viel öffentliches Interesse?

Es war viel Gold dort auf dem sonst recht tristen Parkplatz, wunderschön inszeniert zusammen mit dem Künstler- und Künstlerinnenkollektiv Kernkraft. An sieben Stationen haben Aktivistinnen und Aktivisten eine Initiative präsentiert oder einen Impuls, mit dem sie gerade unterwegs sind. Da waren etwa zwei junge Männer, die sehr erfolgreich Lastenräder ausschließlich aus Schrott bauen, neben ihren politischen Aktivitäten. Besonders stark wirkten auf mich künstlerische Beiträge, die in Abgründe blicken ließen, die Straßenkinder erleben müssen. Es war sehr intensiv. Der Moderator, Simon Hoffmann von der Demokratischen Stimme der Jugend, hat sehr achtsam durch diese krass unterschiedlichen Räume geführt. Da wurden Schmerz und Herzqualität erlebbar, und auch viel Spass daran, in unterschiedliche Lebenswelten einzutauchen.

Öffentlichkeit war wenig dabei. Wir haben klein eingeladen. Für uns war das eine Art Prototyping, auch um Bilder und Videos für die weitere Kommunikation zu produzieren und als Startpunkt für die ganz praktische Zusammenarbeit der Aktivisten und Aktivistinnen. Das soll organisch wachsen.

Wie geht es weiter mit dem neu gegründeten Generationenfonds?

Noch auf dem Event machten die jungen Leute klar, dass sie jetzt zusammen loslegen wollen. Seither gibt es regelmäßige Treffen in einer echt diversen Gruppe: vom Hartz-IV-Empfänger bis hin zur Aktivistin, die ein größeres Vermögen geerbt hat. Gemeinsam verfügen sie über ein Budget, das sie auf elinor.network demokratisch verwalten. Finanziert werden sollen einzelne Aktivitäten, möglicherweise auch Grundeinkommen in bestimmten Lebensphasen. Alle zahlen monatlich 3 Promille ihres Einkommens ein, ganz auf Augenhöhe. Auch erste Unterstützer und Unterstützerinnen überweisen Geld.

Um Auszahlungen geht es noch nicht so sehr. Ziemlich am Anfang outete sich eine Aktivistin: «Mein Vater ist zwar Banker, aber ich kann gar nicht mit Geld und mit Zahlen umgehen.» Da kam gleich die Antwort: «Bei Extinction Rebellion machen wir bereits Finanzberatung. Klar kannst du die bekommen.» Damit war der Raum geöffnet, um über die eigenen Bedarfe zu sprechen und wie diese gemeinschaftlich gedeckt werden können.

Ich denke, dass wir mit Blick auf die vielen Umbrüche und Krisen immer mehr solche solidarischen Zusammenhänge brauchen werden. Dafür müssen wir an die Ränder unserer gewohnten Welten gehen. Der GLS-Bank-Gründer Wilhelm Ernst Barkhoff sprach öfters vom bindungslosen, einsamen Menschen und dass wir soziale Zusammenhänge brauchen, in denen es ganz um die Entwicklung des Einzelnen geht. Dafür wird der Generationenfonds da sein.


Mehr: goldener-raum@gls.de

Titelbild: Aktion Goldener Raum in Berlin, Foto: © Hendrik Rauch

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