Der Roman ‹Burgschattenkinder› durchlichtet mit offensichtlich persönlichen Erfahrungen und Wahrheitssuche die Nachkriegsgeschichte im Umgang mit Menschen mit Behinderung.
Das Buch beschreibt die Biografie einer Institution: ein Heim in einer Burg in Bayern von 1963 bis 1980. Gleichzeitig ist es die Biografie individueller Schicksale von Jungen mit Unterstützungsbedarf und sozial-emotionalen Auffälligkeiten, die in dieser Institution untergebracht sind. Immer wieder kommt mir die Frage, wie ein Teil der Gesellschaft – repräsentiert im Roman durch die Heimleiterinnen – solche diffamierenden und zutiefst seelisch schmerzvollen Handlungen und Werte mitten in einem katholischen bayerischen Städtchen vertreten und ungesehen ausüben konnte? Der zugefügten Gewalt, Demütigung und körperlich-seelischen Verwahrlosung der Kinder und Jugendlichen stehen ganz klassisch Machtausübung und finanzielle Bereicherung der machtausübenden Gruppe gegenüber. Beschrieben wird ein Kräftemessen, das auf Kosten der schwächeren, abhängigen Gruppe geht. Bis es durch einzelne mutige Mitarbeitenden zur Wende kommt, die aufgrund der Beweisnot alles noch mal Revue passieren lässt – weder beschönigend noch dramatisierend. Was lernen wir heute daraus? Was bleibt in mir als Leserin zurück? Mein Verantwortungsgefühl wird angesprochen, mich für Menschen einzusetzen, die jedwede Art von Demütigung und Abwertung erfahren. Ich will aufhorchen und widersprechen, wenn ich wahrnehme, dass Menschen nicht gerecht und respektvoll behandelt werden und aufgrund dessen auch nicht mitbestimmen und mitgestalten können. Das darf nicht sein, das dürfen wir nicht mehr akzeptieren. Denn es hindert uns als Menschheit an der Entwicklung einer solidarischen und mitfühlenden Gesellschaft. Der Roman von Monika Kiel-Hinrichsen beinhaltet eine Botschaft – so lese ich ihn zumindest: ein Aufruf zu Wahrheit, Respekt und Verantwortung!
Buch Monika Kiel-Hinrichsen, Burgschattenkinder. Novalis-Verlag, Neukirchen 2023.