Es war einmal ein Kind, das nicht erwachsen werden wollte. «Ich will nicht groß werden», sagte sich das Kind, «denn für die Großen ist die Welt so klein.» Das Kind liebte die Größe der Welt und fand sich darin wunderbar aufgehoben. Die Großen empfand es als engstirnig und kleingeistig. Die Großen schienen ihm der Größe unfähig.
Doch das Kind bemerkte bald, dass es wuchs. Obwohl es nicht erwachsen werden wollte, wuchs es über sich hinaus. Das stimmte das Kind traurig. Doch ausgerechnet jetzt, da dem Kind aufging, dass es groß werden würde, ahnte es etwas von der Traurigkeit der Großen. Dem Kind erschien die Traurigkeit der Großen als eine Sehnsucht nach dem Kinde.
Daraufhin fasste das Kind einen Entschluss: «Ich will größer als groß werden», sagte es sich. «Ich will so groß werden, dass ich wieder Kind sein kann.» Das machte es sich zur Aufgabe. Es wählte sich selbst als seinen Zeugen, um sich erneut zu gebären. «Meine Kindheit liegt jetzt in der Zukunft», sagte sich das Kind. Und es begab sich schließlich dorthin auf die Reise.
Der Tempelberg in Jerusalem, Haram ash-Sharif, vom Dach des Österreichischen Hospizes
Foto: Linus Entringer