In der Osterzeit stehen Jupiter und Saturn am Morgenhimmel. Der Gegensatz in ihrem Ausdruck spiegelt sich in dem Stirb und Werde des Tierkreishintergrunds.
Es ist eine spannungsvolle Region im Tierkreis, in der Jupiter nun steht: unterhalb des majestätisch strahlenden Planeten findet sich der Kurvenzug des Skorpions. Hell und ausdrucksvoll erscheint das Winterbild, zugleich alle Dunkelheit um sich zu versammeln. Welch eine Dynamik! In einem geschwungenen Bogen sammelt sich alle Kraft in dem einen roten Hauptstern, um dann in den Scheren des Skorpions in drei Richtungen hinauszusprühen. Das Bild scheint den Raum zu zerschneiden, und so überrascht es nicht, dass nicht nur im Mythos, sondern auch in der Astrophysik nicht weit vom Stachel des Skorpions das Zentrum, der Masseschlund unserer Galaxie verortet wird. Dunkelwolken verbergen den Blick zu dem Zentrum und womöglich zum Schwarzen Loch, das nach den Gesetzen der Himmelsmechanik dort im Zentrum bestehen muss. Anders ist die enorme Rotation unserer Milchstraße nicht mit den Gesetzen der Physik zu verbinden. Wenn sich also unterhalb von Jupiter im Skorpion das Bild des Todes ausbreitet, so ist es oberhalb des Planetenriesen das neue Leben. Dort entfaltet sich der weite Sternenkreis des Asklepios. Bei mäßiger Sicht sind es zehn Sterne, die dieses gewaltige Sternenrund aufspannen. Während Skorpion den Raum zu zerschneiden scheint, wird hier ein eigener Raum gebildet. Asklepios oder auch der Schlangenträger ist der Gott der Heilkunst. Aus seiner beinahe toten Mutter Koronis – so der griechische Mythos – rettet Apoll den Halbgott Asklepios, sodass dessen Lebensbeginn bereits ein Triumph über den Tod ist. Er geht beim einzigen zahmen Zentauer Chrion in die Lehre des Heilens und begründet Epidauros, das wohl erste große Medizinzentrum der Antike. Mythos und Wirklichkeit sind hier eng verschlungen, denn wenn man den überlieferten Krankengeschichten und Herbergszahlen folgt, so waren es Tausende, die hier an diesem lieblichen Ort Griechenlands Heilung suchten und fanden. «Hier spürte ich das Herz der Erde schlagen», notiert Arthur Miller auf seiner Griechenlandreise über diesen Ort.
Skorpion und Asklepios (deutsch: ‹Schlangenträger›) zeigen jedes Jahr in der Osterzeit im Süden diesen österlichen Gegensatz von Tod und neuem Leben. Dieses Jahr steigert sich diese Polarität, denn Jupiter und Saturn stehen in dieser Region. Keine 30 Grad trennen diese beiden Planetenreisen voneinander auf dem Weg zu ihrer großen Konjunktion am 21. Dezember 2020. Während sich die untersonnigen Planeten mehrmals im Jahr begegnen, ihre Konjunktionen somit alltäglich sind, ist es der Puls der Jahrzehnte, in dem sich die große Konjunktion misst, denn alle zehn Jahre stehen Jupiter und Saturn in Konjunktion und dann in Opposition. Dass die kommende Konjunktion am Tag der Wintersonnenwende liegt, bedeutet, dass diese große Konjunktion diesmal noch die Sonne in ihre Begegnung aufnimmt.
Welch ein farblicher Gegensatz zeigt sich hier: Während Jupiter in hellem weißem Licht strahlt, schimmert Saturn in mildem gelbem Glanz. Der räumliche Gegensatz von ‹außen› und ‹innen›, der sich seelisch in extrovertiert und introvertiert spiegelt, ist hier ein planetariches Ereignis. Jupiter strahlt mit Macht heraus und Saturn scheint den ganzen Kosmos in sich aufzunehmen. Es gehört zu meinen eindrücklichsten Sternenerfahrungen, dass dieser Gegensatz nicht nur am Himmel zu sehen ist, sondern in jedem menschlichen Antlitz. Das rechte Auge hat einen nach außen gewandten Ausdruck und eine akzentuierte Blickkraft, während das linke Auge und mit ihm die ganze Gesichtshälfte mehr nach innen schaut. ‹Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust›, dichtet Goethe über diesen Gegensatz, der sich in der Musik in Dur und Moll, im Daoismus als das kosmische Kräftepaar von Jing und Jang spiegelt und am Himmel sich im Mit- und Gegeneinander von Jupiter und Saturn zeigt.
Meine Frage an die Konstellation: Jetzt, an Ostern 2019, ist es zu früh, schon von einer Konjunktion zu sprechen, aber sie kündigt sich an, beide Planeten zeigen in der Nachbarschaft des anderen deutlicher ihren eigenen Gestus. Nach Ostern wird sich durch die Rückläufigkeit von Jupiter das Doppelgestirn noch einmal weiten. Ähnliches wird sich nächstes Jahr, zu Ostern 2020, noch einmal ereignen. Es ist ein Atemprozess, der die beiden Planetenriesen immer enger zusammenführt. Johannes Kepler hat die große Konjunktion von 7 v. Chr. als Stern von Bethlehem verstanden, als einen Weckruf an die Magier, sich auf den Weg zum Kind zu machen. Vermutlich kann die Begegnung von Jupiter und Saturn, von der Gedanken- und Ordnungskraft Jupiters und der Innerlichkeit und Transzendenz Saturns, immer als ein Weckruf genommen werden – ein Weckruf, außen und innen, Exoterik und Esoterik, joviale Ordnungskraft und saturnische Transzendenz in der Seele zu einem Ganzen zusammenzubringen.
Siehe auch: Sternkalender 2019/20
Titelbild: Selbstbildnis von Rembrandt. Während die (seine) rechte Gesichtshälfte wach und prüfend hinausschaut (Jupiter), scheint die linke alle Geheimnisse der Welt in sich aufzunehmen (Saturn).