Der Klimawandel, schärfer der Klimabruch, fordert ökologisch, sozial und spirituell heraus. Allen drei Ebenen widmet sich die Jahrestagung der Landwirtschaftlichen Sektion, die dieses Jahr zusammen mit der Jugendsektion veranstaltet wird – digital.
Die Beschränkungen der zweiten Welle der Coronapandemie greifen erneut tief in Gewohnheiten, stellen Selbstverständliches in Frage. Doch was nicht geschehen sollte, ist, dass sie den Blick auf die Fragen des Klimawandels trüben, dass sie lähmen, die notwendigen mutigen Schritte jetzt zu gehen. Dabei zeigt sich, dass all diese Aufgaben, die Einsicht aller und daraus einen generationsübergreifenden Handlungswillen fordern. Als in der ökologischen Landwirtschaft Verantwortliche fühlen wir diese Herausfordung aus unserem Jungsein und aus unserer landwirtschaftlichen Erfahrung. Die Erde ist ein Lebewesen. Können wir gemeinsam für die fiebernde Erde Perspektiven erschließen für ihre Gesundung? Wie kann die Erde wieder zu Atem kommen in ihrem klimatischen Ein- und Ausatmen mit dem Kosmos?
Kosmischer Geist in irdischer Schönheit
Im Michaelbrief von Rudolf Steiner ‹Von der Natur zur Unter-Natur› wird dieses Verhältnis vom Irdischen und Kosmischen angesprochen. Die ursprüngliche Natur, der wir auf der Erde begegnen, ist die Erscheinung des Kosmischen im Irdischen. Gerade in der Fülle der Sinneserscheinungen, in Formen, Farben, Gerüchen und Geschmäckern, zeigt sich das Kosmische. Die duftenden Blüten, die wiederkäuende Kuh, der rauchende Wald und die schimmernde Morgenröte sind kosmische Geistigkeit in irdischer Schönheit. Die Schwere ist irdischen Ursprungs. Solange wir uns im räumlichen Gleichgewicht halten, mit unserer Hände Arbeit die schwere Erde bearbeiten, sind wir in der Realität. Es ist unser Schicksal, wie es im Brief heißt, dieser untersten Schicht der Natur, der Erdennatur, zu begegnen. Dafür kommen wir auf die Erde. Das können wir nur hier erleben, nicht in der geistigen Welt.
Die ursprüngliche Natur, der wir auf der Erde begegnen, ist die Erscheinung des Kosmischen im Irdischen.
Nun ist die Technik entstanden. Sie basiert auf der modernen Naturwissenschaft. Diese ist dadurch modern, dass sie alles Kosmische in ihrem Begreifen der Natur wegschiebt bzw. es durch rein Irdisches erklärt. So sind die Farben Ausdruck von elektromagnetischen Wellen, Geruch und Geschmack kommen von einzelnen Stoffen, die man isolieren und definieren kann. Alle sogenannten sekundären Eigenschaften wie Farben und Gerüche werden auf primäre Eigenschaften, auf das Mess-, Zähl- und Wägbare, zurückgeführt. Dadurch entsteht in unserem wissenschaftlichen Bewusstsein eine zweite Welt, die Welt der physikalischen und chemischen Gesetze, der Atome und Moleküle, des Urknalls und der schwarzen Löcher.
Der Wille materialisiert diese mechanische Welt in der Technik. Die Dampfmaschine funktioniert, später der Verbrennungsmotor, dann der Elektromotor. Wir bewegen uns nicht mehr, wir werden bewegt. Die Glühlampe brennt im Zimmer, dann kommt die Straßenbeleuchtung, bald flimmert der Bildschirm im Wohnzimmer und schon blinkt das Smartphone im hintersten Winkel der Erde. Louis Pasteur entdeckt die Bakterien und erfindet die Pasteurisation, und wenig später wird die Sterilität zur neuen Wirklichkeit in Medizin und Pharmakologie. Die Folge sind alsbald die Antibiotika und aktuell die RNA-basierten Impfstoffe. Der Morseapparat führt zum Telefon, dieses wird digital, und im Web entsteht die weltumspannende virtuelle Realität. Kurz, wir leben in einer durch und durch technischen Welt.
Ahrimans Mechanisierung und Luzifers Umarmung
Rudolf Steiner schrieb in seinen letzen beiden Lebensjahren wie eine Essenz der Anthroposophie 185 Leitsätze mit dazugehörigen Briefen an die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft. In den letzten Sätzen dieses anthroposophischen Destillats, lenkt er den Blick auf die sich damals anbahnende technisierte Welt. Während man in seinen Vorstellungen noch in der ursprünglichen Natur verhaftet sei, habe sich der Wille längst mit dieser Technikwelt verbunden. An die Stelle der Natur sei diese «Unter-Natur» getreten. Dieses Wort Steiners sollte man nicht moralisch, nicht als etwas Schlechtes verstehen. Rudolf Steiner wandte sich nie gegen Technik, und hier kann man daran erinnern, dass er als Kind auf Bahnhöfen, den technischen Hotspots der 1860/70er-Jahre, groß wurde. Er hat zudem an einer technischen Hochschule studiert und beispielsweise für die Goetheanumbühne die damals modernste Beleuchtungsanlage einbauen lassen. Rudolf Steiner meint mit ‹Unter-Natur› etwas objektiv Reales. Es ist eine zweite Natur entstanden, die rein aus den irdischen Verhältnissen konstituiert ist und daher des kosmischen Anteils der Natur entbehrt – in diesem Sinne ist sie Unter-Natur. Aus der reduktionistischen Naturwissenschaft wird die reduzierte Realität der Technik.
Dieser Schritt in die Unter-Natur gehört zu unserem Erdenschicksal. Hier auf der Erde scheiden sich die Geister: Wir stehen der geschiedenen Geistigkeit gegenüber und müssen daran unser Menschsein neu erringen. Die Scheidung der Geister, die relevant ist für unsere Zeit, ist diejenige in Ahriman und Michael. Ahriman ist die Geistigkeit, die mit ihren wissenschaftlichen Formeln fasziniert und die mit der Technik, die so perfekt funktioniert, aufgeht. In Ahrimans technischer Welt wäre es das Beste, wir Menschen wären auch bloß technische Objekte. Und in der Tat ist der Weg in den Transhumanismus ja anfänglich beschritten. Wir können ihn gehen mit der Konsequenz, dass wir auch Maschinen werden, dass wir hinabgleiten in die Unter-Natur. Die Angst vor dieser Perspektive kann in die Sehnsucht nach einer heilen Welt führen, einer vortechnischen Welt. Da kommen wir in die warme Umarmung von Luzifer, der scheinbar eine Alternative zu Ahriman offeriert, in Wirklichkeit aber das menschliche volle Erdenschicksal von der anderen Seite her verhindert.
Erwachen in der Peripherie
Mit ‹Michael› bezeichnet Rudolf Steiner eine Wesenheit, die Ahriman Paroli bieten kann. So wie Ahriman die Technik als Unter-Natur schafft und wir uns in ihr erleben, so ermöglicht Michael eine Über-Natur. Er macht deutlich, dass dies nicht ein naiver Gang in die kulturgeschichtliche Vergangenheit ist, in der die Technik noch nicht Wirklichkeit war und in der die Natur als dieses Fluidum, in dem Kosmisches und Irdisches sich durchweben, uns Menschen noch genügend Gegenüber war. Sondern es ist ein Durchbruch in die Zukunft. In die Zukunft in dem Sinne, dass die Verhärtung des Ich, wie dies durch den Umgang mit der Technik geschieht, zunächst angenommen wird. Aber dieser sichere Ichpunkt in mir kapselt mich auch ab. Wie kann ich ausbrechen aus dieser Bindung? Oder: Wie kann ich herausschlüpfen aus dem Kokon? Wie wird der Schmetterling geboren? Wo ist sie, diese Über-Natur?
Wenn wir es mit dem Bild des Schmetterlings im Verhältnis zur Puppe und zur vormaligen Raupe und zum Ei fortsetzen, dann wird evident, wie der Sprung darin besteht, dass ein hartes, schweres Ding zu einer leichten, fliegenden, farbig glänzenden Erscheinung wird. Sie ist da und ist nicht da, sie ist real, wenn der Blick auf das sonnenbeschienene Flügelpaar trifft, und nicht real, wenn die Erscheinung abdreht und sich als feiner Strich in der Luft auflöst. Die Über-Natur erscheint uns wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, nicht in einer statischen Anwesenheit, sondern wie in Momenten aufleuchtend: im wahrsten Sinne des Wortes eine atmosphärische Erscheinung!
Um die Atmosphäre geht es bei der Klimafrage. Um sie begreifen zu können, ist ein atmosphärisches Bewusstsein notwendig, ein peripheres Bewusstsein.
Um die Atmosphäre geht es bei der Klimafrage. Um sie begreifen zu können, ist ein atmosphärisches Bewusstsein notwendig, ein peripheres Bewusstsein. Gewöhnlich ist es so, dass man in dem Moment einschläft, in dem das Bewusstsein in die Peripherie entschwindet. Wie kann ich mich mit der Peripherie verbinden und wach bleiben? Indem ich das normale Denken überspringe. Denken ist ja nicht alles. Ich werfe mich hinein in die Tätigkeit und bin in der Welt! Ich bin außer mir, ganz an die Tätigkeit hingegeben. Das ist in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft die Tätigkeit des Säens, des Melkens, des Präparaterührens. Und das kann es nur sein, wenn mein Bewusstsein ganz bei der Sache ist. Ich bin im und durch den Ort meiner Tat. Dadurch bin ich in der Welt, vom Ichpunkt aus gesehen in der Peripherie. Wenn das Ich sich selbst vergisst und sich der Welt hingibt, dann verliert es sich nicht. Es verliert nur sein punktuelles Bewusstsein seiner selbst als Gegenüber der Welt. Es findet sich wieder als Teil der Welt, als verbunden mit der Welt. Dieses Tun nun kann die praktische Tätigkeit sein, es kann aber auch ein tätiges, hervorbringendes Denken sein, es kann auch ein aktiv erlebtes Fühlen sein. Es sind dies innere Orte oder Sphären, die über der natürlichen Psychologie des Alltags liegen. In diesem Sinne ist es Über-Natur. Es ist Kultur.
Klima-Landwirtschaft
Agrikultur heißt in diesem Sinne, die Landwirtschaft aus der Peripherie zu gestalten. Die Geste ist, aus einem Ganzen zu handeln. Aus dem landwirtschaftlichen Organismus. Ja vielleicht aus der aus der Zukunft wirkenden landwirtschaftlichen Individualität. Wir machen dies eigentlich dauernd auf den biodynamischen Betrieben, vielleicht öfter, als uns bewusst ist. Es ist das Faszinierende und zugleich das Ärgerliche dieser Betriebsführung, dass sie sinnlich-übersinnlich ist! Dass der Teil, in dem sie Kunst und Kultur ist, immer wieder neu gewagt werden muss – und oft nur realisiert werden kann, wenn die adäquate Technik (als Unter-Natur) zur Verfügung steht.
Gibt es dieses Ganze? Nein, könnte man sagen, es ist noch nicht voll sichtbar, in allen Aspekten aus der Über-Natur zur Natur geworden. Trotzdem oder gerade deswegen funktioniert diese Ganzheit des Betriebes in der Praxis. Am deutlichsten ist dies für mich in der Frage des Gesundheitsmanagements auf dem Betrieb erfahrbar. Bei der Kartoffelkultur ist die Phytophthora, der Erreger der Kraut- und Knollenfäule, gnadenlos, wenn sie zuschlägt. Wenn man keine Chemie und kein Kupfer verwenden will, ist man der Pilzkrankheit ziemlich schutzlos ausgeliefert, wenn sie in den Bestand eingedrungen ist. Ich muss also vorher handeln, durch indirektes salutogenetisches Management, damit der Bestand eine hohe Resilienz hat, eine Gesundheit, die ihn wenig anfällig macht für den Pilz. Damit ist die Fruchtfolgestellung der Kultur gemeint, die Düngung, die Sortenwahl, der Zeitpunkt und die Art der Pflanzung, die Pflege und die Anwendung der Präparate. Es braucht Jahre, um auf einem Betrieb die beste Kombination dieser Faktoren herauszufinden. Aber hat man sie einmal gefunden, funktioniert sie in 80 bis 90 Prozent der Fälle, was eine vergleichbare Erfolgsquote ist wie bei der Anwendung von Chemie. Nichts ist direkte Krankheitsbekämpfung, alles ist indirektes, peripherisches Arbeiten. Ähnliches gilt für andere Kulturen oder für die Tiergesundheit und auch die Handhabung der Düngung. Man kann es so ausdrücken: In meinem Handeln, das immer konkret einzeln ist, schwingt ein imaginatives Bild des Ganzen mit und dieses durchwebt mein landwirtschaftliches Tun und Sein.
Diese Agrikultur hat auch eine zeitliche Dimension. Schon im ‹Landwirtschaftlichen Kurs› bestärkte Rudolf Steiner seine bäuerlichen Zuhörerinnen und Zuhörer in folgender Erfahrung: Wenn sie im Winter sinnierend mit ihrem Betrieb innerlich umgehen, dann ist im Frühjahr auf dem Feld auf einmal die richtige Inspiration da und man ‹weiß›, was man jetzt zu tun hat. Das ist ein Beispiel, wie dieses Ganze des Betriebes im Jahreslauf lebt, unsichtbar-sichtbar. Das gilt auch für kürzere und längere Rhythmen.
Der vielleicht unmittelbarste Ausdruck dieser atmosphärischen Klima-Landwirtschaft sind die Präparate. Gerade bei den Spritzpräparaten ist es eine fast handgreifliche Erfahrung – obwohl nichts Handgreifliches vorliegt –, dass ich eine Atmosphäre schaffe. Nichts wird direkt bewirkt als Ursache für eine spezifische Wirkung. Alles ist darauf ausgerichtet, dass das, was natürlicherweise geschieht, in einem neuen Licht geschieht. In einer neuen Atmosphäre, einer Stufe der Kultivierung, die das natürliche Geschehen sanft und doch eindringlich mit dem Schmetterlingsflügelschlag der Über-Natur berührt. Ist nicht das Kieselpräparat im eigentlichen Sinne ein Klimapräparat, ein Präparat, das ein kräftiges Einatmen des Kosmischen ermöglicht? Und das Hornmistpräparat ein gesundes Atmen des Bodens als Zwerchfell? Die Vertikalität, die Achse zwischen unten und oben, zwischen Erde und Kosmos kommt in Schwingung, wird auf einer neuen Stufe in Kultur genommen durch die Präparate Hornmist und Hornkiesel. Die Kompostpräparate ermöglichen mehr das horizontale Zusammenspiel zwischen den vielen Substanzen, den vielen biologischen Arten, den vielen landschaftlichen Organen des Betriebes. Es ist ein Atmen in den naturintimen Wechselwirkungen, ein aktives Verbinden im Sinne einer Co-Kreation dessen, was natürlicherweise den Standort prägt.
Irgendwie brauchen wir auch eine CO2-Bilanz unserer Höfe und der gesamten Landwirtschaft. Das sogenannte Carbon Farming verfolgt hier einen interessanten Ansatz. Aber wenn man dies tut mit einer Matrix im Kopf, die nur addieren und subtrahieren kann, dann kommt ‹die Kuh als Klimakiller› heraus. Dieser schon in die Jahre gekommene Slogan von Greenpeace illustriert, wie man das Leben, das natürliche Leben und das Kulturleben, einfach herausrechnen kann aus der Klimagleichung. Wir brauchen Antworten auf diese Gleichungen in CO2-Äquivalenten. Es ist auch ein Ziel der Landwirtschaftlichen Tagung, das, was in dieser Art heute wissenschaftlich greifbar ist, zur Verfügung zu stellen. Aber wir wollen dabei nicht stehen bleiben. Atmosphärisches zu benennen, um in einer möglichst klaren Weise und Haltung von der Natur zur Über-Natur durchzustoßen, ist auch Ziel dieser Tagung.
Atmen im Ökologischen, Sozialen, Spirituellen
Atmen heißt leben. Wie können wir Atem gewinnen, wo der Atem heute doch stockt? Die Frage kann gedanklich nicht befriedigend beantwortet werden. Es braucht ein Erlebnis, es braucht schlichtweg neue Luft. In diesen Tagen, in denen ich das schreibe, liegt bei uns gerade eine dicke Nebeldecke. Wir sind einfach drin und haben keine freie Sicht und keinen freien Atem. So ist, scheint mir manchmal, unsere Situation: Das Klima pappt zusammen, ökologisch, sozial und spirituell. Wo ist ein Ausweg? Wo ist freie Luft zum Atmen? Die Antwort: über dem Nebel. Wenn man hochgeht, aus dem Tal auf den Berg, dann ist da die schönste Sonne, die klarste Luft. Der Atem geht frei, Ein- und Ausatmen ist die pure Lust. Wie kommen wir da hoch? Wie schaffen wir den Sprung über das Nebelmeer?
Wenn der Dialog in einer Weise gelingt, dass man in die Wirklichkeit des anderen eintreten kann, dann entsteht eine neue Luft.
Die Inspiration der Tagung ist, dass durch die Begegnung, das Gespräch, die Zusammenarbeit zwischen den beiden Sektionen dieser Sprung möglich werden könnte. Die verwurzelten Landwirte und Landwirtinnen alleine schaffen das nicht. Eine alte Wettertanne verpflanzt man nicht. Der Altbaum kann höchstens Samen abwerfen als Grundlage für den Jungwald. Die webnomadisierenden Jungen schaffen es alleine auch nicht. Ein fliegender Same weiß noch wenig von der Erde. Die Inspiration ist: Wenn der Dialog in einer Weise gelingt, dass man in die Wirklichkeit des anderen eintreten kann, dann entsteht eine neue Luft. Dann ist Atmen neu möglich. Dann senkt sich die Nebeldecke unter das Niveau dieser neuen Wirklichkeit.
Sind wir fähig zu diesem Dialog? Das werden wir erst nach der Tagung wissen, und vermutlich ist die Antwort vielschichtig. Mit der digitalen Form der Tagung, für die wir uns jetzt entschieden haben, wird dieser Dialog nicht einfacher – oder vielleicht doch, weil das Ungewohnte immer auch eine Chance in sich trägt. Ich möchte zu einem Dreischritt anregen:
Erstens eine intensive Vorbereitung. Was verbinde ich mit der Klimafrage, der Landwirtschaft? Wie verstehe ich den Titel ‹Atmen mit der Klimakrise – ökologisch, sozial, spirituell›?
Was sind meine Erfahrungen im Bereich des ökologischen Klimas, des sozialen Klimas, des spirituellen Klimas? Spüre ich Atemnot oder ist es für mich kein Problem? Wie könnte sich die Sache für eine Landwirtin darstellen? Wie könnte sich ein junger Mensch in dieser Situation fühlen? Bin ich wirklich interessiert am Beitrag des anderen? Will ich nicht nur sprechen, sondern auch zuhören?
Zweitens volle Präsenz im Dialog: Die Erfahrung zeigt, dass der Grad der Präsenz und Aufmerksamkeit für den anderen im Moment des Dialogs über die Tiefe der Erlebnisse und Erkenntnisse, die man dabei hat, entscheidet. Das heißt praktisch, dass die Qualität und die Intensität des Zuhörens der entscheidende Schlüssel sind, ob der Dialog eine existenzielle Kraft bekommt. Gerade bei der digitalen Begegnung ist das besonders nötig, aber auch möglich. Vielleicht muss man sich die Beiträge, in die man voll eintauchen kann und will, gezielter aussuchen, als wenn wir alle zusammen in Dornach sind. Das Zuhören geschieht auf vier Stufen: 1. Die rein akustische und faktische Verbindung 2. Das sachliche Interesse: Was wird gesagt, was ist neu, kann ich das verstehen? 3. Die empathische Verbindung: Was ist das tiefere Anliegen meines Gegenübers? 4. Der inspirative Moment: Was war jetzt gerade präsent zwischen uns, das einer anderen Dimension angehört?
Drittens eine arbeitsame Nachbereitung: Dialoge und inspirative Begegnungen sind flüchtig. Will man wirklich Erkenntnisgewinn daraus ziehen und der Sache einen Boden bereiten, damit sie im Leben Realität werden kann, braucht es Arbeit im Nachgang. Ein kurzes Festhalten in Worten oder Skizzen unmittelbar nach dem Gespräch ist ein erster Schritt. Eine Wiedervergegenwärtigung am Abend desselben Tages oder am Morgen des nächsten Tages kann ein zweiter Schritt sein. Es kann dann ein innerer Dialog folgen, in dem ich mir die Sache neu zu eigen mache, die Inspiration wird zu einem inneren Bild, einem gewollten Gefühl. Und dann kann eine Formulierung in Form einer Idee folgen. Diese gedankliche Klarheit gibt mir die Möglichkeit, mit der Sache, der Einsicht, dem Anliegen in eine Wirklichkeitsgestaltung einzutreten.
Der Artikel ist dem Rudndbrief 118 (Winter 2020/21) der Sektion für Landwirtschaft entnommen. Zu abonnieren über die Website.
Anmeldung zur Tagung Atmen mit der Klimakrise – ökologisch – sozial – spirituell