Am Ziel

Die Gondel leistet die größte Arbeit auf dem gewaltigen Sprung hinauf, dann fehlen nur noch ein paar Hundert Höhenmeter zum Gipfel des Wildkogels in den Kitzbüheler Alpen auf 2224 Metern, zu dem ein geschlängelter Weg hinaufführt. Wieso will man so gern zum Gipfel?


Die Sicht ist schon auf halber Strecke spektakulär. Doch oben, da ist man erst am Ziel, da geht es nicht höher. Das ist es, was solch einen Ort magisch macht, was er verspricht und einlöst. Er ist ein Ziel, und wie jedes Ziel bietet er den Blick zum nächsten Ziel. So ist er Ende und Anfang zugleich. Was so jeder Berg, wenn er nicht zu unwegsam ist, verspricht, das ist auf den üblichen Wegen des Lebens nicht so leicht zu haben, diese absolute Gewissheit: Hier ist das Ziel und zugleich ist man – so außer sich vor Anstrengung – bei sich selbst angekommen.

Im Aufstieg kommt mir ein Hinweis des Anthroposophen Jörgen Smit in den Sinn. Wir saßen in einer Runde in der Jugendsektion. Da erzählte eine junge Frau von ihren Ängsten. «Dann gehe hinauf auf den Gempen!», riet er. Das ist der Berg am Rücken des Goetheanum. «Ich kann doch der Angst nicht davonlaufen?» Darauf er in seinem norwegisch-hölzernen Ton: «Sehr richtig! ‹Der› Angst kannst du nicht weglaufen, aber ‹die› Angst kannst du weglaufen.» Im weiteren Gespräch wurde es deutlicher: Wer wandert, verbindet sich mit der Erde, mit dem Vater, so läuft man sich die Angst aus dem Leib und kommt selbst in die Glieder. Und warum hinauf? Weil im und auf dem Berg, in der Felslandschaft, die sich über die Wolken hebt, dieses Väterliche greifbar ist.


Foto: Tourismusplattform Wildkogel

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