Es sei wie im Märchen von Dornröschen gewesen, wo alles erstarrt, selbst der Koch, der die Pfanne nach dem Hund schmeißt, so beschreibt der Sozialphilosoph Harald Welzer das Innehalten vor dem Sommer.
Was unter der Oberfläche an Frustration und Verzweiflung schwelte, das ist jetzt an der Oberfläche. Das Leben wurde langsam, der Wandel beschleunigte sich. Was der Anblick eines Gemäldes oder eines Theaterstücks für eine Betrachterin erzeugt, was eine Musik für einen Zuhörer auslöst, nämlich innezuhalten und neu auf sich und die Welt zu schauen, das bewirkt ein Virus kollektiv.
Ob die Benachteiligung und Demütigung von Frauen oder die ausufernde Mobilität, ob die tier- und menschenverachtende Fleischindustrie oder der Ruf nach einer gerechten Arbeitswelt, die Coronapandemie gibt diesen notwendigen Veränderungen enorm Fahrt. Der Satz, dass die Kraft aus der Stille kommt, hat neue Bedeutung bekommen. Natürlich haben die Interessengruppen von Agrarlobby bis Hochfinanz nicht vergessen, was sie für ihre Privilegien zu tun haben, und dennoch: Der Frühling und der Sommer können eine große Lern- und Lehrstunde werden. Dabei hilft, der Versuchung zu widerstehen und nun nicht das Gleiche wie vor der Pandemie, nur jetzt mit neuer Überzeugungskraft, zu tun und zu sagen, sondern die Verunsicherung, das Durchrütteln und das Erstaunen wie bei einem Kunstgenuss zuzulassen. So kollektiv der Lockdown war, so kollektiv sollte die Rückschau sein.