Trevor Button wurde in Simbabwe geboren, wuchs in Botswana und Südafrika auf, studierte Architektur und Waldorfpädagogik und hat 15 Jahre in Deutschland und der Schweiz an Waldorfschulen Englisch unterrichtet. Er ist in sein Geburtsland zurückgekehrt, um in Kufunda den Aufbau der kleinen waldorfinspirierten Schule zu unterstützen. Gilda Bartel traf ihn in der südlichen Hemisphäre und führte mit dem Abenteurer ein Gespräch über Intuition.
Gilda Bartel Was ist Intuition? Was denkst du darüber?
Trevor Button Intuition ist eine wichtige Sache für mich. Als ich zum ersten Mal die ‹Philosophie der Freiheit› las, hat mich erstaunt, dass Steiner im vierten Kapitel sagt: Wir haben Konzepte, aber wir können nicht sagen, was ein Konzept ist. Die Wörter, die wir als ein Konzept ausdrücken, zeigen nur, dass wir Konzepte haben. Aber die Wörter selbst sind nicht die Konzepte. Das hat mich fasziniert und es machte Sinn für mich. Denn in jeder Sprache ist das Konzept anders ausgedrückt: ‹Baum› auf Deutsch, ‹tree› auf Englisch. Andere Sprachen haben andere Wörter, aber das Konzept ist das gleiche. Was der Mensch in seiner Seele als dieses Konzept erfährt, ist sozusagen gleich. Und dieses Konzept ist eine Intuition, aber wir merken das nicht.
Im Deutschen benutzen wir das Wort ‹Begriff› dafür. Meinst du das mit ‹Konzept›?
Ja, ich denke, es meint ‹Begriff›. Was Steiner im Deutschen dazu sagt, weiß ich nicht genau. Im Englischen heißt es ‹concept› oder ‹idea›.
Im Deutschen umfasst das Wort ‹Konzept› etwas Größeres, in dem mehrere Begriffe beinhaltet sein können. Im Begriff lebt auch etwas hinter dem Begriff. Das meinst du, oder? Kommt die Intuition von dem, was in einer Art geistigem Leben hinter dem Begriff oder Konzept liegt?
Das ist eine Intuition. Wenn ich einen Baum sehe und habe den Begriff ‹Baum›, dann kann ich das nicht ausdrücken, ohne ein Wort zu nutzen. Aber das Wort zeigt nur, dass ich den Begriff habe, aber was ein Begriff ist, können wir nicht sagen. Wir haben also diese Begriffe, aber nur durch Wörter können wir sie ausdrücken. Das finde ich wirklich schön. Und wenn wir nicht sagen können, was ein Begriff ist, kommt er intuitiv in die Seele hinein, ist also eine Intuition. Wir arbeiten dafür nicht, sondern es wird uns gegeben. Wenn ich den Baum sehe, habe ich den Begriff ‹Baum›. Das ist noch kein Wort. Nur wenn jemand sagt: «That’s a tree», weiß ich: Ach so, dieses Ding heißt Baum. Aber vorher habe ich den Begriff ohne Wörter. Ich kann es nur ausdrücken mit Wörtern. Die erste Erfahrung der Welt ist durch unsere Sinne gegeben. Wir riechen, schmecken, hören etwas und haben dazu Begriffe. Diese sind intuitiv in unsere Seele gegossen. Wir müssen die Sprache benutzen, um zu zeigen, dass wir Begriffe haben. Das ist, was Steiner in dem vierten Kapitel schildert.
Ich sehe das so, dass die Begriffe geistige Wesenheiten sind, die mit den Dingen da draußen verbunden sind. Also der geistige Begriff ‹Baum› ist geistig verbunden mit dem Ding da draußen, das ich sehe und später ‹Baum› nenne. Wenn meine Sinne sagen, dass da draußen ein Baum ist, gibt mir meine geistig-seelische Aktivität den entsprechenden geistigen Anteil, nämlich den Begriff. So lernen wir über die Welt. Aber die Begriffe sind mir durch Intuition gegeben. Ich denke sie mir nicht aus. Ich muss mir nicht ausdenken, dass ein Baum ein Baum ist, sondern ich weiß es.
Du bist ja Waldorflehrer und -kindergärtner. Wenn ein Kind aufwächst, lebt es sich in diese Intuitionen, die dann zu Wörter gerinnen, ein. Das Kind nimmt also intuitiv auf, was es in den Wörtern ‹Baum›, ‹Tier›, ‹Sofa› findet. Denn sein Wachbewusstsein, sein intellektuelles Bewusstsein arbeitet noch nicht in dem Sinne. Würdest du sagen, ein Kind ist stärker mit dieser intuitiven Ebene verbunden und in seinem Wacher-, Bewusster-Werden schwindet das?
Nein, das ist noch immer da. Das kleine Kind lebt sehr stark in dieser intuitiven Welt, aber sehr unbewusst. Nur wenn die Eltern oder die Lehrerin sagen: «Da ist ein Baum, eine Katze, ein Hund», lernt es die Sprache kennen. Aber das Kind hat schon die Begriffe dazu in sich, jedoch unbewusst. Steiner sagte in der ‹Philosophie der Freiheit›, dass diese Denktätigkeit – und Begriffe sind Gedanken – das unbeobachtete Element in unserem normalen Seelenleben ist. Wir lernen sehr viel, wenn wir merken, dass dieses Element da ist und wir den Begriff bewusst sagen können. Wenn ich bewusst denke, was unbewusst bei mir angekommen ist, erweitere ich mein Verständnis für die Welt ungemein.
«Wenn wir nicht sagen können, was ein Begriff ist, kommt er intuitiv in die Seele hinein.»
Das Kind nimmt genau wie wir unbewusst und intuitiv auf. Der Unterschied ist, dass das Kind dabei noch die Sprache lernt. Als Kindergärtner war ich immer erstaunt, dass die Kinder alles verstehen, wenn wir ihnen eine hochkomplizierte Geschichte erzählen. Das Kind nimmt die Begriffe intuitiv auf und versteht die Bedeutung als intuitive Begriffserfahrung. Es fragt nicht: «Was heißt es, dass die Prinzessin Stroh zu Gold spinnen muss?», sondern das Kind versteht das intuitiv.
Was ist dann der Unterschied zu Imagination und Inspiration für dich?
Ich meine hier die erste Erfahrung von Geist in Form von Intuition. Das hat mit Geist als solchem zu tun, aber nicht bewusst. Deshalb ist Steiners ‹Philosophie der Freiheit› eine Art Schritt in die geistige Welt. Wenn er sagt, wir haben Begriffe, aber merken nicht, was Begriffe sind, dann macht er einen Schritt aus der unbewussten in die bewusste Erfahrung des Geistigen. Das erschien mir ganz logisch.
Also diese Intuition, von der ich jetzt sprach, ist die erste Erfahrung des Geistigen, aber sie ist gegeben. Ich brauche dafür keine Arbeit leisten.
Imagination und Inspiration kommt auch teilweise als Geschenk. Aber in allen drei Bereichen müssen wir als Erwachsene anfangen zu arbeiten. Wir müssen versuchen, bewusst Bilder zu schaffen, also imaginativ zu arbeiten. Oder bewusst inspirativ schöpferisch zu sein oder intuitiv zu denken. Das ist unsere Arbeit als Menschen an uns selbst. Das müssen wir selbst entwickeln. Aber die Grundlagen sind geschenkt.
Das ist ein schöner Gedanke und war mir bis jetzt nicht so klar. Du hast es ja auch ‹die erste Erfahrung des Geistes› genannt, die einfach so als geistige Substanz mitgegeben wird.
Jeder Baum ist auch ein geistiges Wesen. Er ist ein Wesen, nicht nur Materie und Ätherleib. Ich muss nicht das Wort ‹Eiche› kennen, wenn ich eine Eiche sehe. Ich weiß aber, hier ist ein Wesen. Jemand sagt mir dann, dass es eine Eiche ist. Die Wesenheit im Baum sagt mir das selbst.
Als Menschen sind wir also von Anfang an verbunden mit dem Geistigen in der Welt. Wir sind nicht separat. Je mehr wir lernen über die Welt, umso mehr scheinen wir uns von dem gegebenen Geistigen zu trennen. Dann schauen wir als Erwachsene die Welt an und sagen: «Ich verstehe nichts von der Welt. Was ist die Welt? Wer bin ich?» Diese Fragen müssen kommen, weil nur dann eine Befreiung aus der Verbundenheit möglich ist. Die natürliche Verbundenheit ist verloren gegangen durch das Aufwachsen und Aufwachen.
Wenn ich von mir selbst noch wüsste, dass ich eine natürliche Verbindung zu den intuitiven, rein geistigen Dingen habe, würde ich mich sicherer und beheimateter fühlen. Können wir diese Art von Verbundenheit als Erwachsene erfahren?
Ja. Das ist was Schönes bei Steiner. In der ‹Philosophie der Freiheit› sagt er das praktisch. Er sagt, wir haben Begriffe, nur merken wir nicht, dass sie Begriffe sind. Sie sind die geistige Realität, die dahintersteckt, die wir erfahren. Aber wir müssen aufwachen darin. Dazu muss man erst zu dem Punkt kommen, nichts mehr zu verstehen. Und dann kommt die Schwelle ins Geistige. Da fängt man eine neue Entwicklung an, die mit Intellekt nichts zu tun hat. Es hat mit einer neuen Erfahrung des vorher Gegebenen auf einer höheren Ebene zu tun. Die freie Seele kann das selbst und frei entwickeln.
Die Vorstellung von Intuition, die man landläufig hat, etwa wenn jemand sagt: «Ich habe mich intuitiv für Rot als Wandfarbe entschieden», meint das das Gleiche wie die Intuition, von der du gerade sprichst?
Man könnte auch das Wort ‹Inspiration› dafür benutzen, wenn man eine Wandfarbe auswählt. Es ist ein bisschen lose. Was in dem Beispiel geschieht, ist nicht ganz deutlich. Man könnte vielleicht gar ‹Imagination› dafür benutzen.
Kannst du benennen, was dann wirklich Intuition ist, um es deutlicher zu charakterisieren und davon zu unterscheiden, dass es auch eine Imagination oder Inspiration gewesen sein kann?
Die drei Schritte der anthroposophischen geistigen Entwicklung sind erst Imagination, dann Inspiration und dann Intuition. Intuition ist dann dort, wo man bewusst geistigen Wesenheiten begegnet. Die Intuition ist eigentlich eine Verbindung zwischen dem menschlichen Geist und der geistigen Wesenheit. Das ist eine sehr hohe geistige Erfahrung. Dann gibt es auf einer niedrigeren Ebene die Inspiration, wo man durch das innere Ohr die geistigen Wesenheiten sprechen oder singen oder was auch immer hört. Auf einer ersten Ebene ist die Imagination, wo man Bilder aus dem Geistigen hat, nicht Fantasie oder Träume. Sie entsprechen der seelischen Entwicklung des Menschen, aber sie kommen aus der geistigen Welt. Sie sind ganz präzise.
Vorher kann man auch von den dreien reden, aber auf einer niedrigeren Ebene, wie im Beispiel mit den Wandfarben. Oder dass jemand das Gefühl hat, er muss eine Reise nach Amerika machen. Aber das hat mit einer höheren Ebene von geistiger Erfahrung nicht so viel zu tun.
Haben wir unbewusst trotzdem permanent intuitive Begegnungen mit geistigen Wesen, ohne dass wir es wachbewusst mitbekommen? Es ist nicht etwas, was nicht existiert, wenn ich es nicht wahrnehme, sondern es ist Teil dessen, wie die Welten zusammenarbeiten, ineinander wirken?
Ja, genau. Wenn wir sagen: «Ich hatte eine gute Idee»: Das kann von einer geistigen Wesenheit als Anregung kommen, und wir nennen es ‹eine gute Idee haben›. Wir begegnen jede Nacht unseren Engeln und den von anderen Menschen. Wenn ich aufwache und den Gedanken habe, dass ich Gilda etwas fragen will, kann es sein, dass es von deinem Engelwesen zu meinem getragen wurde.
Der Anspruch erscheint mir manchmal so hoch, auch innerhalb der anthroposophischen Gemeinschaft. Man traut sich selbst eigentlich nicht zu, das wahrnehmen zu können. Die Wesen tun ja die ganze Zeit, ob ich sie sehe oder nicht. Und meine Vorstellung davon, was eine geistige Begegnung ist, ist noch so anschauungsgeprägt, so als könnte ich da einen Engel sehen, wie von außen. Ich habe nur eine vage Ahnung, dass es vielleicht eher wie ein Miteinander-Tun ist. Aber die Vorstellung davon, was geistige Erfahrung ist, ist zum Teil bei mir noch so geprägt durch einerseits eine große Ehrfurcht, die auch verhindern kann, reinzugehen. Und andererseits geprägt von einem bestimmten Bild, wie man darin ‹anschauen› kann. Ich bin aber nicht die außenstehende Wissenschaftlerin, die da nur zuschaut.
«Die geistige Welt ist eine von Bewegung und ständiger Kreativität. Nichts bleibt, alles wandelt und bewegt sich ständig. Das ist schwer vorzustellen. Wir haben das Gegenteil in unserer Welt. Der Baum bleibt. Er wächst zwar, aber er bleibt.»
Ich verstehe, was du meinst, und ich glaube auch, dass es ein Problem in der anthroposophischen Welt ist. Anthroposophinnen und Anthroposophen haben durchaus eine Vorstellung davon, wie die geistige Welt ist. Aber diese Vorstellung stimmt nicht immer. Es ist nur eine intellektuelle Vorstellung davon. Man kann das leicht missverstehen, wenn man nicht das ganze Bild hat. Wenn man eine Vorstellung hat, blockiert das unter Umständen den Zugang zur geistigen Welt. Ich blockiere meine eigene mögliche Erfahrung mit meiner Vorstellung, sogar bis dahin, dass ich den Weg zum Geistigen blockiere. Steiner sagt ja oft genug, dass man eigentlich mit den uns gegebenen Wörtern nicht beschreiben kann, wie die geistige Welt ist. Er gab Hinweise, Versuche, zu beschreiben.
Wörter sind wie etwas Geronnenes, wie wenn man in der Waldorfpädagogik vermeidet, Definitionen zu geben. Unsere Art zu sprechen hat noch nicht so sehr die Qualität ausgebildet, zu charakterisieren und doch offen zu lassen. Wäre der intuitive Bereich eher etwas Prozesshaftes, wo Dynamiken und Bewegungen sind, von der geistigen Substanz her? Und deshalb ist es so schwierig, es mit einem Wort zu benennen, und unsere Sprache müsste sich zu etwas wandeln, was mehr prozesshaft bleiben kann, wo es kein ‹zu Ende› gibt?
Die geistige Welt ist eine von Bewegung und ständiger Kreativität. Nichts bleibt, alles wandelt und bewegt sich ständig. Das ist schwer vorzustellen. Wir haben das Gegenteil in unserer Welt. Der Baum bleibt. Er wächst zwar, aber er bleibt.
Wie kann der Mensch sich dann in der geistigen Welt verankern und versichern? Ich frage mich, ob der Anker nicht genau mein physisches ‹Gilda-sein-Wort› wäre? So wie wir den Begriff des Baumes und sein Wort ‹Eiche› haben. Wenn alles in Bewegung, in ständiger Kreativität ist, woher weiß ich dann noch, wer ich bin?
Deshalb ist innere Entwicklung so notwendig. Das macht die Seele einerseits stark, aber auch beweglich. Ich bereite meine Seele vor, damit ich im Falle der Begegnung mit der geistigen Welt stark und beweglich bin. Es ist die Kunst, gleichzeitig ein irdischer Mensch und ein geistiger Mensch zu sein. Wir sind die Brücke der beiden Welten. Das ist unsere Aufgabe. Meditation, Konzentration und so weiter sind da, um diese Brücke zu bauen, damit wir dort hinkommen, ohne verloren zu gehen.
Sind diese Übungen, Meditationen und so weiter eine Bedingung, um intuitive Erfahrungen zu haben?
Die erste Ebene der geistigen Erfahrung ist Imagination. Was ich beschrieben habe, ist genau das. In einer Imagination ist etwas ganz Konkretes. Die Imagination ist selbst in Bewegung. Diese erste Ebene erlaubt mir, bildhaft die geistige Welt zu erfahren. Weil es bildhaft ist, habe ich ein konkretes Bild davon, aber es ändert sich ständig. Ein Film ist ein gutes Beispiel dafür. Die Bilder ändern sich ständig, jede Sekunde, aber gehören zu einem Ganzen, einer Geschichte. Aber ich schaffe das Neue, im Vergleich zum Film als bildhaftes Beispiel, in der Imagination selbst. Ich bin in Kontrolle. Beim Film habe ich keine Kontrolle. Ob ich mitkomme oder nicht, ist für den Film egal. Aber in der geistigen Welt ist das nicht egal. Ich sollte schnell aussteigen, wenn ich merke, dass ich rumgeworfen werde wie ein Spielball.
Wenn man sich weiterentwickelt, kann man weitergehen. Durch Inspiration beginnt man zu hören.
Läuft das inspirative Bewusstsein mehr über das Gehör und die Klangebene als über die Bildebene?
Ja, es ist das innere Hören gemeint. Auch physisch ist es so. Unsere Ohren sind mehr entwickelt als unsere Augen. Wenn wir sie richtig benutzen, haben wir mehr Möglichkeiten, die Welt zu erfahren. Ich höre den anderen Menschen in seiner Seele. Ich höre das Tier in seiner Seele. Ich sehe den Vogel. Das ist das eine. Aber wenn ich in meiner Seele höre, nicht nur mit meinen physischen Ohren, wie der Vogel singt, kommt etwas in meine Seele, was auf einer höheren Ebene ist, auch für das Tier. Weil das Tier mit seinen Artgenossen durch seinen Gesang kommuniziert. Es ist für den Vogel auch eine höhere Ebene des Seins.
Welcher Sinn entspricht dann der Intuition? Das Tasten, die Berührung?
Ja, ich würde sagen: das Tasten, aber auf einer höheren Ebene. Berührung ist ein guter Ausdruck dafür.
Auch in der physischen Welt ist es ein Verlauf. Wenn ich einen Vogel sehe, kann ich ihn schön finden. Wenn ich ihn höre, erfahre ich ihn auf einer höheren Ebene. Und wenn ich ihm begegne, begegne ich dem Wesen des Vogels. Er ist noch immer da, sonst habe ich keine Begegnung, aber die Begegnung findet auf einer höheren Ebene statt. Ich habe etwas erfahren über dieses Wesen. Mein Wesen und seines begegnen sich.
Innerhalb der Anthroposophie ist das Schlafbewusstsein mit dem Verdauungstrakt und dem Willen in Verbindung gebracht. Es ist schwer, Menschen deutlich zu machen, dass Schlafbewusstsein auch ein Bewusstsein ist. Beim Traumbewusstsein geht es immer noch. Vielleicht kann ich mich dem Schlafbewusstsein annähern, wenn ich verstehe, was in meinen unbewussten körperlichen Prozessen abläuft. Kann sich dadurch ein Verständnis eröffnen für die geistige Welt, mit der man es in der Intuition zu tun hat?
Ich bin mit diesen Schwierigkeiten auch konfrontiert. Wenn ich meinen Arm bewege, sehe ich mit meinen Sinnen, dass ich meinen Arm bewege. Aber der Wille darin schläft. Ich sehe nur die äußere Bewegung. In meiner Arbeit als Architekt bin ich schon sehr früh auf diese Problematik gestoßen. Ein Balken trägt jahrein, jahraus, ohne etwas zu sagen. Tragen, auf Englisch ‹carry›, ist eine Aktivität. Der Balken ist ständig am Tun, er ‹willt› die ganze Zeit. Er ruht nicht, seine permanente Tätigkeit ist Tragen, aber nicht bewusst. Für mich ist das eine Brücke, zu verstehen, wie der Wille funktioniert. Alles in der Welt ‹willt›. Der Stuhl da draußen, der Grashalm, der Baumstamm, die Backsteine. Alles tut etwas, aber alles völlig unbewusst. Das heißt, Wille als solches ist unbewusst. Die Herausforderung für den Menschen, Bewusstsein in den Willen zu bringen, ist genau die Herausforderung der geistigen Entwicklung. Man bringt ein menschliches Bewusstsein oder Bewusstsein überhaupt in eine Tätigkeit, die normalerweise schläft. Das ist ungeheuerlich. Da muss man viel Arbeit leisten, bis man das kann. Wenn man seinen eigenen Willen, bis in die eigene Verdauung, aufwecken kann, kann man gleichzeitig den Willen in der Natur auch sehen. Ich sehe den Willen des Baumes, ich sehe, was er tut, weil ich meinen eigenen Willen jetzt auch sehen oder erfahren kann.
Da kommen wir zurück zur Verbindung mit der Welt, aber auf einer höheren Ebene. Alles, was da draußen ist, ist auch in uns. Deshalb haben wir Begriffe für Baum, Wolke, Sonne, Mond. Wir haben das schon alles in uns. Wenn wir darin aufwachen, wachen wir in der Welt da draußen auch auf, wo der gleiche Wille tätig ist.
Also ist auch Wille ‹nur› ein Werkzeug oder ein Sein, das überall herrscht? Manchmal ist die Verwirrung ja: «Ich weiß nicht, was ich will.» Man bindet an den Willen so sehr, was Persönlichkeit oder Individualität ist. Aber so gesehen ist der Wille eine von drei Aktivitäten, aus denen die Welt besteht. Ich nutze die Willenskraft nur, um etwas in die Welt zu bringen. Ich muss aber nicht innerhalb meines Willens suchen, was meine Aufgabe ist?
Ja. Es sind Elemente, die da sind, und ich bin auch da in diesen Elementen. Wäre ich ein Wasserwesen, wäre ich auch gleichzeitig im Wasser, jederzeit.
«Was außer mir ist, ist auch in mir selbst. Die Elemente, in denen wir wohnen, sind Denken, Fühlen und Wollen. Deshalb bekommen wir Begriffe, gegeben aus den Dingen da draußen, auch als Erwachsene. Das Element ist in uns beiden.»
Was außer mir ist, ist auch in mir selbst. Die Elemente, in denen wir wohnen, sind Denken, Fühlen und Wollen. Deshalb bekommen wir Begriffe, gegeben aus den Dingen da draußen, auch als Erwachsene. Das Element ist in uns beiden. Wäre es nicht so, könnte ich die Welt anschauen als ein komisches Ding, mit dem ich nichts anfangen kann. Aber das stimmt nicht. Wir können viel mit der Welt anfangen, weil sie Teil von uns ist und wir Teil von ihr.
Wenn ich einen Balken sehe, der etwas trägt, ist es so, wie ich etwas in meiner Hand trage. Nur mache ich es mehr bewusst. Ich sehe, dass es trägt, aber ich sehe nicht das Tun selbst. Genauso ist es mit meinem Willen. Ich sehe meine Hand, die die Tasche trägt, aber ich sehe nicht den Willen darin. Das liegt alles im Schlaf.
Wenn die ganze Welt eigentlich tut, der Stuhl tut, der Balken trägt: Ist das eine andere Erscheinungsform für das, was geistig geschieht? Was es geistig ist, sehe ich ja trotzdem nicht. Ist der Wille eine Erscheinungsform des Geistigen? Wenn ich sehe, wie der Balken trägt, sehe ich seine Tätigkeit. Ist es eine Erscheinungsweise dessen, was es ist?
Ich würde das vielleicht noch ergänzen. Jemand hat einen Begriff von Stuhl gehabt und hat einen Stuhl gebaut. Aber der Begriff davon ist trotzdem eine geistige Realität. Alles, was die Natur natürlich macht, so wie der Begriff schon im Baum eingebaut ist, macht der Mensch mit seiner Hand. Im Stuhl ist etwas Geistiges eingebaut, das Wesen des Stuhls.
Würdest du sagen, dass derjenige, der den Stuhl erfunden hat, eine Intuition hatte für dieses Wesen? Würde man also sagen können, Intuitionen sind etwas, wo ich ein Tätigsein von etwas erfasse?
Der Stuhl macht Sinn, weil ich als Mensch darauf sitze. Das ist meine Tätigkeit. Und diese Tätigkeit entspricht etwas in der Welt, was ich brauche, nämlich den Stuhl. Der Stuhl will. Und das entspricht der Notwendigkeit in meinem Sinne. Ich brauche etwas, was mir hilft, zu sitzen. Ich muss auf etwas sitzen, was die richtige Aktivität anbietet. Ich brauche das für meinen Willen, aber der Stuhl will auch. Er bietet seine Aktivität an.
Ich realisiere gerade, dass ich immer noch annehme, die Welt existiert außerhalb von mir. Aber wie du gerade beschrieben hast: Weil ich sitzen möchte, können der Stuhl und ich zusammenkommen. Ich denke nicht automatisch, dass ich ja Teil dessen bin. Ich begreife noch gar nicht, dass die Dinge immer mit mir zusammenhängen. Wenn ich mich aber von da aus frage, was die Welt als Nächstes braucht, warum wir Intuition entwickeln müssen, um die Welt vielleicht auch zu retten, dann würde das bedeuten: Was brauche ich, was für den Rest der Welt gut ist?
Oder was kann ich anbieten? Was braucht die Welt von mir, was der Welt hilfreich ist, was ich aus meinem Willen schaffen kann? Da liegt die Harmonie, wenn wir wieder so denken können. Vieles, was es gibt, braucht es eigentlich nicht. Etwas ist in die Welt gebracht, was mit den Menschen gar nicht immer harmonisiert. Es gibt vieles in der Welt, was unstimmig ist, weshalb wir Probleme haben.
Unsere Aufgabe als Menschen ist, dass der Stuhl (als Beispiel) so viel wie möglich mit meinem Willen als sitzender Mensch harmonisiert. Auch dass es schön ist, dass es gut ausgedacht ist. Also das Fühlen und Denken ist auch in dem Stuhl. Deshalb ist Kunst mein Lieblingsbereich. Sie bringt den Menschen in seine neue Harmonie mit der Welt. Wenn es schön ist, ist es gut gedacht und auch im Willensanteil harmonisch.
Illustrationen Zusammenarbeit von Adrien Jutard mit Fabian Roschka, 2022
Ich bin nur Gastleser.
Habe Trevor vor einigen Jahre in Esslingen am Neckar kennengelernt. Hatte ein langes Gespräch mit ihm über Kunst. Hatte auch seine Bilder angeschaut.
Sind die 2 wunderbaren Blauen von ihm? Sie sind sind ganz anders als die die ich kenne.
Der Artikel hat mich als Malerin sehr inspiriert.
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Viele Grüsse
Ulla Neigenfind