Am Neuen Theater Dornach widmete sich ein Stück dem Brand des Ersten Goetheanum. Eine Rezension zu ‹Chroniken von Dornach›.
Dornach, was für ein Ort! Der Bluthügel zeugt von der Schlacht im Schwabenkrieg 1499, 1813 starben viele Menschen beim Einsturz der Birsbrücke. Im 20. Jahrhundert brannte das Erste Goetheanum ab. Michelle Steinbeck hat sich in ihrer Trilogie ‹Chroniken von Dornach› bisher den beiden letzten Themen gewidmet.
‹Der zerbrochene Spiegel› kommt als dokumentarisches Theater daher. Das Genre erhebt den Anspruch der Faktizität, ist aber auch dramatisch zugespitzt, oft mit moralischem Impetus. So beginnt auch dieses Stück über den Brand des Ersten Goetheanum, eigentlich eine Zuwendung zu Jakob Ott, der lange Zeit als Brandstifter galt und dessen sterbliche Überreste mutmaßlich in der Asche gefunden wurden. Die Protagonistin will den Fall auf Grundlage von Dokumenten lösen. Daraufhin werden Zeugnisse in Szene gesetzt, mögliche Ursachen für den Brand genannt. Max Kully tritt als fanatischer Kirchenmann auf, der Polizist Meister hat begrenzten Aufklärungswillen, Rudolf Steiner wirkt suggestiv auf andere ein. Ihm wird unterstellt, die öffentliche Meinung zu manipulieren, Versicherungsbetrug begangen und Jakob Ott umgebracht zu haben und durch die Brandstiftung die Anthroposophische Gesellschaft neu greifen zu können. Infame Vorwürfe. Doch spätestens hier schnappt die Falle zu. Denn die Dramaturgie führt die Protagonistin zu immer absurderen Vorwürfen, bis sie jeweils erkennt: Kully, Meister und Steiner taugen nicht für die Klärung des Tathergangs – vielmehr entsteht durch den Blick auf sie eine sogartige Eigendynamik von Verdächtigungen. Die Protagonistin ist mit ihrem Anliegen gescheitert, wendet sich an den verstorbenen Jakob Ott, fragt ihn liebevoll: «Hallo Jakob, bist du es gewesen?» Sie besinnt sich auf den Ausgangspunkt – auf Kosten realer Schicksale und Impulse und im Vertrauen, dass das Publikum das Spiel mit den Bedeutungsebenen versteht. Bei einer Lesart einszueins bleibt an den Verdächtigen ziemlich etwas hängen.