Zuschrift von Magdalena Zoeppritz zum Artikel ‹Wie Luzifer sich verwandelt› von Armin Husemann im ‹Goetheanum› Nr. 42/2018.
Mit androgyn werden seit der Antike Wesen, auch menschliche, bezeichnet, die die Merkmale beider Geschlechter mehr oder weniger stark ausgeprägt haben oder in ihrer Zugehörigkeit unbestimmt sind. Deswegen meine ich, ‹androgyn› setzt die Zweigeschlechtlichkeit voraus.
Nach Rudolf Steiner (Vortrag vom 8.12.1908 in GA 107) soll es zuvor eine Zweigeschlechtlichkeit gegeben haben, die sich aber nicht körperlich ausdrückte, zumal die menschlichen Körper noch keine festen Formen angenommen hatten. An anderen Stellen scheinen mir die kurzen Beschreibungen bei Rudolf Steiner eher auf einen ungeschlechtlichen Zustand vor der Geschlechtertrennung hinzuweisen, den er auch ‹weiblich› nennt, Wesen, die, durch die Umwelt geformt, sich selbst reproduzieren. Dieser Zustand scheint mir eher dem zu entsprechen, was auch heute noch ‹ungeschlechtliche Vermehrung› genannt wird.
Die ältesten Menschendarstellungen bilden Gestalten ab, die eher als weiblich zu bezeichnen sind. Darstellungen setzen allerdings so etwas wie Gegenüberstellung voraus, ein anfängliches Ich.
Der Beginn der Geschlechtlichkeit liegt nach Steiners Angaben vor den ersten sprachlichen Äußerungen und diese liegen vor dem individuellen Ich. So meine ich, wäre die Ungeschlechtlichkeit – vor der Wirkung Luzifers – zu unterscheiden von Auftreten androgyner Körper nach der Geschlechtertrennung.
In der Bibel ist bei der Erschaffung des Menschen zuerst von ‹männlich-weiblich› die Rede. Ich frage mich, ob mit ‹männlich-weiblich› ‹androgyn› (im heutigen Sinn) oder nicht vielmehr ‹ungeschlechtlich› gemeint sein könnte, ein Zustand, der der Geschlechtertrennung, der Sprache und der Ich-Begabung voranging?
Magdalena Zoeppritz
Der Artikel von Armin Husemann können Sie hier lesen.
Foto: Model von Rudolf Steiner und Edith Maryon für die Skulptur des Menschheitsrepräsentanten, Xue Li, 2018