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Zuschrift

Zuschrift von Falk Zientz über den Artikel ‹Zwischen allen› von Kai Ehlers in ‹Goetheanum› Nr. 40/2018 und Antwort von Kai Ehlers.


Lieber Herr Ehlers, liebe Redaktion,

der Artikel, dessen Grundaussage ich nur zustimmen kann, ist aus meiner Sicht in einer sehr kompakten und präzisen Sprache geschrieben, sodass ich über folgende unklare Formulierungen umso mehr gestolpert bin:

• «… zum deutsch-slawischen Mitteleuropa, das Rudolf Steiner im Sinn hatte, wenn er von Deutschland sprach.» Inwiefern meinen Sie auch heute, wenn Sie von Deutschland sprechen, ein «deutsch-slawisches Mitteleuropa»?

• «Dieses heutige Deutschland ist bis zur endgültigen Wiedervereinigung eine juristisch nicht abgeschlossene völkerrechtliche Form …» Was ist mit «endgültiger Wiedervereinigung» gemeint? Wozu soll dieser Satz auffordern?

• Im letzten Absatz geht es um Faschismus in Deutschland und Stalinismus in Russland mit der Frage: «… können sich diese beiden Geschichtsströme nach den bitteren Erfahrungen der von ihnen betroffenen Völker heute begegnen?» Das deutsche Volk war vom Faschismus «betroffen»? Und war gleichzeitig Täter? Oder wie ist hier die Gedankenfigur?

Beste Grüße, Falk Zientz


Antwort von Kai Ehlers

Lieber Falk Zientz,

zunächst herzlichen Dank für Ihre Kritik. Es ist immer erfrischend, in klärenden Austausch zu kommen. Sie haben drei präzise Fragen gestellt; ich will versuchen, ebenso präzise darauf zu antworten.

Zu Ihrer ersten Frage: Nein, ein deutsch-slaw­isches Europa war schon zu Rudolf Steiners Zeit eine Erinnerung. Heute ist es Geschichte, so wie Mitteleuropa insgesamt in der Geschichte zurückgeblieben ist, nachdem sich die Revolutionäre von 1848 dafür entschieden hatten, den Vielvölkerstaat Österreich von der deutschen Entwicklung abzukoppeln. Mitteleuropa muss heute neu definiert werden.

Zu Ihrer zweiten Frage: Im deutschen Grundgesetz findet man den Artikel 23. Er war dafür gedacht, die Übernahme des Grundgesetzes für «andere Teile Deutschlands» beziehungsweise später hinzugekommene Länder zu ermöglichen. Diesem Artikel folgend wurde der Zusammenschluss von West- und Ostdeutschland nicht als Vereinigung zweier gleichberechtigter Subjekte, sondern als Beitritt der DDR in die Verfassung der BRD vollzogen. Nach Vollzug wurde der Artikel aufgehoben. Es gibt heute Menschen, die sich daran stoßen. Das soll der Satz ins Bewusstsein rücken.

Zu Ihrer letzten Frage: «Betroffen» waren beide Völker, das kann ich nur wiederholen. Sie waren betroffen, durch den Missbrauch – die Deutschen durch den Missbrauch des Idealismus, die russische Bevölkerung durch den seiner Glaubenskräfte. Damit ist keine Aussage darüber verbunden, wer Opfer und wer Täter war.

Herzlich, Kai Ehlers

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