Ein astronomischer Blick in das Jahr 2019. Alle 20 Jahre geschieht die Große Konjunktion von Jupiter und Saturn. 2019 ist das Präludium dieser Begegnung von Innen und Außen. Die Konjunktion von Venus und Jupiter am Jahresanfang eröffnet diesen Vorlauf.
Das Jahr 2019 beginnt mit einer eindrucksvollen Konstellation. Jupiter und Venus, die beiden hellsten Planeten und Repräsentanten der bedeutendsten Seeleneigenschaften, der Erkenntnis und der Liebe, stehen am Morgenhimmel des 23. Januars eng beisammen. Die Konjunktion der beiden Lichter ist die eindruckvollste Begegnung am Nachthimmel. So ähnlich sie in der Helligkeit sein mögen, hat ihr Licht doch einen polaren Glanz. Jupiter strahlt herrschaftlich, während Venus sich vollständig zu verströmen scheint. Bei der Begegnung treffen auch zwei zeitliche Pole aufeinander. Jupiters Licht vermittelt ewige Ruhe, während Venus den Augenblick zu feiern scheint, so gleißend ist ihr Licht. Der Sternenhintergrund der Begegnung ist ebenfalls interessant: Es ist der einzige Ort des Tierkreises, den sich zwei Bilder teilen, Skorpion und Schlangenträger oder Asklepios. Skorpion ist das Bild des Todes und Asklepios als der Gott der Heilkunst, der Tote erwecken konnte, Bild des neuen Lebens. Dort, wo Jupiter und Venus sich begegnen, ist somit selbst ein Ort einer Begegnung, der Begegnung von Tod und von neuem Leben. Vielleicht darf man diese astronomische Ouvertüre für das Jahr 2019 als Ruf lesen, dass der Tod sich in neues Leben wandelt, wenn Erkenntnis und Liebe sich vereinen. Arthur Zajonc schreibt in seinem Buch über Meditation ‹Aufbruch ins Unerwartete›, dass man daran spüren könne, ob man in meditativer Verfassung sei, ob sich die Pole von Erkennen und Lieben annähern und schließlich eins werden. Was so ein meditatives Ereignis ist, dass sich Liebe und Erkennen als zwei Seiten einer Medaille zeigen, das scheint auch im Alltagsleben heute gültig zu sein. Es gibt wohl kaum ein Problem, kaum eine Herausforderung, für deren Beantwortung nicht die Einheit von Erkennen und Lieben notwendig ist. Reines Nachdenken ohne Anteilnahme bleibt äußerlich und vermag nicht die Widersprüchlichkeit zu fassen. Alleiniges Einfühlungsvermögen ohne gedankliche Distanz öffnet die Türe für Täuschung und Selbsttäuschung. Am Himmel stehen nun die Repräsentanten beider Kräfte beisammen, als ein astronomischer Ruf, eine meditative Stimmung und Verfassung in das ganze Leben zu gießen.
Venus wandert dann weiter und schon Anfang Februar stehen die beiden Gestirne zehn Grad auseinander. Doch dann zeigt sich am Horizont im morgendlichen Dämmergrau ein weiterer Planet, und Woche für Woche gewinnt er an Höhe und Helligkeit. Es ist Saturn, der fernste unter den klassischen Planeten. Bereits seit einigen Jahren haben Sterninteressierte die schrittweise Annäherung von Jupiter auf Saturn verfolgt. Jetzt sind es weniger als 30 Grad, die die beiden langsamsten Wandler auseinanderstehen. Interessanterweise an der Wintersonnenwende 2020, also am 21. Dezember, werden Saturn und Jupiter ihre Große Konjunktion feiern. Jupiter, der in 12 Jahren, und Saturn, der in 29,5 Jahren den Tierkreis durchmisst, treffen sich alle 20 Jahre, sodass in einem Zehnjahrespuls von Konjunktion und Opposition die beiden großen Wandler den Zeitlauf gliedern. 2019 geschieht das Präludium für die Große Konjunktion von Jupiter und Saturn. Denn beide stehen nun so dicht zueinander, dass sie zueinander in Beziehung treten. Je mehr die beiden Lichter dabei wieder den Nachthimmel erobern und auch schon vor der Dämmerung aufgehen, mit desto größerer Wucht erscheint der Gegensatz der beiden Wandler am Himmel. Während Jupiter in hellem weißem Licht strahlt, schimmert Saturn in mildem gelbem Glanz. Der räumliche Gegensatz von ‹außen› und ‹innen›, der sich seelisch in extrovertiert und introvertiert spiegelt, ist hier ein planetarisches Ereignis. Jupiter strahlt mit Macht heraus und Saturn scheint den ganzen Kosmos in sich aufzunehmen.
Es gehört zu meinen eindrücklichsten Sternenerfahrungen, dass dieser Gegensatz nicht nur am Himmel zu sehen ist, sondern in jedem menschlichen Antlitz. Das rechte Auge hat einen nach außen gewandten Ausdruck und eine akzentuierte Blickkraft, während das linke Auge und mit ihm die ganze Gesichtshälfte mehr nach innen schaut. «Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust», dichtet Goethe über diesen Gegensatz, der sich in der Musik in Dur und Moll, im Taoismus als der kosmische Kräftegegensatz von Ying und Yang spiegelt und am Himmel sich im Mit- und Gegeneinander von Jupiter und Saturn zeigt. Im Westen des Goetheanum steht eine Skulptur eines Menschen, wobei auf Kehlkopfhöhe ein zweites Antlitz umgekehrt in den Körper hineingearbeitet ist, als würde es in den Leib schauen. Man kann es als Bild nehmen, dass jede Aktion, jede Rede hinaus immer auch eine Reflexion, ein Wort nach innen bedeuten sollte, im Sinne eines Gleichgewichtes von Innen und Außen, von Handeln und Empfinden. Die Konjunktion von Jupiter und Saturn bereitet sich langsam vor, sodass sie dazu ermutigt, auf diesen kosmischen Zusammenklang von Außen und Innen mit einem menschlichen Einklang von Außen und Innen zu antworten.