Ermächtige dich selbst

Rudolf Steiner als der letzte Guru

Jetzt, wo Rudolf Steiner 100 Jahre tot ist, können wir es ja sagen: Steiner war der letzte Guru! Nicht dass es danach keine weiteren gab, sondern er war der Letzte, der es hat sein können.


Was macht einen Guru zum letzten Guru? Die Erkenntnis der Selbsterkenntnis. Er ermächtigt zur Selbstermächtigung und er führt zur Selbstführung. Der letzte Guru macht sich als Guru überflüssig und ernennt dich zu dem, der sich selbst ernennt. Zum Sich-selbst-Ernennenden. Er sagt: Du bist der ‹Ich bin›. Der ‹Ich bin› aber, das ist Gott.

Du willst jetzt nicht sagen, dass Steiner dich Gott gleichsetzt? Doch! Aber mit einer Einschränkung: Diese Erkenntnis kann niemand für jemanden machen. Kein Gott und kein Guru kann sie für dich übernehmen.

Schon 1892 in Weimar wird Steiner nach seinem Lebensmotto gefragt. Die Antwort ist überragend: «An Gottes Stelle den freien Menschen.» Der Mensch als Homo Deus! Was Yuval Harari in seinem gleichnamigen Weltbestseller bespricht, ist davon der Doppelgänger. Er beschreibt ein transhumanistisches Gespenst des Menschen. Der Tod soll überwunden werden, indem das Körperleben verlängert wird. Der Tod soll aussterben.

Was tut der wirkliche Homo Deus? Er erkennt sich selbst. Er erkennt, dass er der ist, der sich selbst erkennt. Dadurch ist er nicht nur ein Geschöpf Gottes, sondern selbstschöpferisch. Er bringt sich selbst hervor. Er ist nichts nur Gegebenes, Abgeschlossenes, Fertiges, sondern ein Sich-selbst-Werdendes. Und er überwindet den Tod, indem er sich wiederverkörpert.

Esoterisch ist der Homo Deus derjenige, der die Erkenntnis hat: «Es ist Ich.» Mit diesen drei Worten endet Steiners mantrisches Spätwerk 1924. Eine Kulmination. Ein Ende, das den größtmöglichen Anfang in sich birgt. Die Selbsterkenntnis ist der rote Faden seines Gesamtwerkes. Selbsterkenntnis und Selbstermächtigung der Menschen in der Wissenschaft, der Erkenntnistheorie, der Geheimwissenschaft, der Religion, in der Kunst, der Politik, der Ökonomie, der Landwirtschaft, in der Medizin. Sich selbst zu erkennen und zu ergreifen, aus sich und durch sich selbst tätig zu sein.

Der Filmkritiker Michael Sennhauser vom SchweizerFernsehen prägte den Satz: «Wenn jeder sein eigener König ist, muss keiner der König des anderen sein.» Wenn jeder Mensch souverän ist, wird sich keiner mehr über den anderen stellen. Sonst wäre er nicht souverän.

Wenn jeder sein eigener Guru ist, muss keiner mehr der Guru des anderen sein. Rudolf Steiner war der letzte Guru. Er gab die letzte Anweisung: Geh auf deinen eigenen Weg. Ermächtige dich selbst. Werde dein eigener Guru.

Der Guru ist tot. Es lebe der Guru. Ich.


Mit ‹Rudolf Steiner als …› überschreiben wir dieses Jahr eine Reihe von Artikeln zum 100. Todesjahr Rudolf Steiners.

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