Orchesterkonzert und Eurythmie mit Werken von Jan Stuten (1890–1948) am Sonntag, 7. Mai 2023 im Großen Saal im Goetheanum, Dornach.
Das Jahr 2023 ist ein Gedenkjahr für einige schicksalshafte Ereignisse innerhalb der anthroposophischen Bewegung. An Weihnachten und Silvester 2022/23 fanden die feierlichen Veranstaltungen zum Gedenken an den Brand des Ersten Goetheanum-Baus statt. Auch anwesend bei den dramatischen Vorgängen vor 100 Jahren war Jan Stuten, Musiker, Bühnenbildner und vieles mehr, der von 1914 bis zu seinem Tod am 25. Februar 1948 im Zentrum der Bühnenarbeit am Goetheanum stand. Sein Todestag jährt sich zum 75. Mal und wir nehmen dies zum Anlass, einige Beispiele seines musikalischen Werkes wieder ertönen zu lassen. Dafür hat sich ein Kreis von Musikerinnen und Eurythmisten gebildet, der ein vielversprechendes Programm mit einem Querschnitt aus Werken Jan Stutens vorbereitet. Vor allem bekannt war Stuten für seine Musik zu Goethes ‹Faust›, die er zunächst in enger Zusammenarbeit mit Rudolf Steiner und nach dessen Tod mit Marie Steiner komponierte.
Stuten hat selbst beschrieben, wie die Zusammenarbeit mit Rudolf Steiner sich gestaltete und wie herausfordernd dies für den jungen Musiker war: «(Zum ‹Prolog im Himmel›) Ich fragte Rudolf Steiner, ob die Wahl gewisser Tonarten für die Erzengel richtig wäre. Er schien zunächst auf diese Tonart-Frage keinen besonderen Wert zu legen. Aber nach einigen Tagen sagte er mir, ich könne ja für Rafael E- oder Es-Dur wählen, für Gabriel etwa Cis-Dur und für Michael die Region der D-Dur-Tonart. Als ich daraufhin den Entwurf Herrn und Frau Dr. Steiner vorspielte, sagte er, die Themen, die ich am Anfang verwendet hätte, hätten einen michaelischen Charakter, er möchte, dass ich sie zum Schluss ertönen ließe. Der Rafael müsse anders klingen. Ich solle also die ganze Komposition umsetzen, was gewiss keine leichte Sache war. Aber für Bequemlichkeit in der Arbeit war Dr. Steiner nie zu haben; er verlangte, dass ich die Sache in einer Nacht bis zum nächsten Morgen fertig hätte».1
1938 fand am Goetheanum die weltweit erste ungekürzte Aufführung von ‹Faust I› und ‹Faust II› statt. Jan Stuten war von Anfang an intensiv mit dieser Arbeit verbunden. Sogar die Hauptrolle verkörperte er. Als die Kompositionen immer weiter fortschritten – es waren schliesslich 62 Teile – und er diese auch selbst dirigierte, übernahm Kurt Hendewerk die Rolle des Faust. Neben der gewaltigen Aufgabe der Entwicklung einer adäquaten Bühnenmusik war er auch verantwortlich für die Bühnenbilder. Die ‹Faust›-Musik ist sicher vielen Menschen noch in Erinnerung. Sie wurde jahrzehntelang gespielt. Jan Stuten schrieb eine Fülle weiterer Kompositionen, so zu fast allen Dramen, die damals am Goetheanum aufgeführt wurden, aber auch Orchester- und Kammermusik und viele Stücke für die junge Bewegungskunst der Eurythmie, wo es galt, in der Musik neue Wege zu gehen.
Beeindruckend in ihrer empathischen, auf die jeweilige Individualität fokussierenden Art sind Stutens Kompositionen zu Totenfeiern im Mitarbeitenden- und Mitgliederkreis. Er schrieb eine Trauermusik für Rudolf Steiner und für Edith Maryon, für Carl Unger, Sophie Stinde, Elisabeth Vreede und Ita Wegman und weitere bekannte Persönlichkeiten.
Die Veranstaltung am 7. Mai wird in zwei Teile geteilt sein: Sie beginnt um 15 Uhr mit einer Ansprache, Liedern, Kammermusik und Solo-Eurythmie. Nach einer Pause spielt um 17 Uhr das Projekt-Orchester das Vorspiel zur Eröffnung des Ersten Goetheanum zur Eurythmie des Projektensembles des Eurythmeums CH, verantwortlich ist Ingrid Everwijn. Aus dem ‹Faust› werden wir die Musik zur ‹Zueignung› hören. Mit der Eurythmie-Projektbühne unter Leitung von Gioia Falk werden die ‹Zwölf Stimmungen› zur Aufführung kommen. Für diese Strophen zum Tierkreis gab Rudolf Steiner zur Darstellung detaillierte Angaben zu Bewegung, Beleuchtung und Choreografie; Jan Stuten komponierte dazu für Orchester. Marion Ammon singt sechs Lieder aus ‹Frühling›, aus der Sammlung ‹Chinesisch-Deutsche Jahres- und Tageszeiten›. Verantwortlich für die Musik sind Christian Ginat und Felix Lindenmaier. Für diese Aufführung wird das Weidler Streichorchester mit neuentwickelten Streichinstrumenten nach Impulsen von Franz Thomastik zu einem Kammerorchester mit Bläsern, Harfe, Schlagzeug, Orgel und Klavier erweitert.
Titelbild Jan Stuten. Fotoquelle: Veranstaltungsflyer