Diese Berührung des Geistes

Er schrieb, dass seine Lektüre «das Licht des Himmels» sei, «das tiefste Buch, das es gibt». Christian Bobin ist nicht gestorben, er hat nur sein großes Buch wieder gefunden, im Alter von 71 Jahren, am 24. November 2022.


«Er war dieses diskrete Wesen, dem man begegnet und das man nie vergisst. Dieser wohlwollende und zutiefst menschliche Mann, dessen Feder jedes Wort, jede Emotion zu sublimieren wusste», so der Bürgermeister der kleinen Stadt, in der Bobin in Zentralfrankreich lebte.

Bobin war Schriftsteller, seine Worte entsprangen der direkten Erfahrung: «Zu einem unendlichen Fest laden uns die bescheidensten Dinge ein – die Früchte wie die Steine, die Kräuter wie die Gestirne – und wir müssen, um sie zu genießen, diese unmittelbare Berührung des Geistes lernen, deren Privileg die Maler haben.» (Le huitième jour de la semaine). In den wenigen Interviews, die er gab, wird deutlich, dass selbst seine spontanen Worte zu Poesie wurden, die dieser ‹unmittelbaren Berührung des Geistes› entspringt.

Bobin war zweifellos ein himmlischer Pilger, er wandelte im Himmel, indem er auf der Erde ging. Eines seiner ersten Bücher, ‹Le très-bas› (Der sehr Niedrige), war dem Heiligen Franziskus gewidmet. In ‹La plus que vive› (Die mehr als Lebendige) erzählt er von seiner Geistesbeziehung zu einer verstorbenen Freundin. Er widmete dem irdischen Leben Christi einen kleinen Text, ‹L’homme qui marche› (Der gehende Mensch), später war es die Gegenwart Christi, die er durch eine Sammlung von Aphorismen beschrieb: ‹Le Christ aux coquelicots› (Christus mit den Mohnblumen).

Bobin wusste, dass der Weg zum Geist ein Weg der Selbsterkenntnis ist, dass «je näher man dem Licht kommt, desto voller Schatten kennt man sich» (‹La plus que vive›). Er wusste auch, dass Geist und Materie nicht getrennt sind, sondern dass «die Welt des Geistes nur die endlich wieder ins Lot gebrachte materielle Welt ist» (‹Le très-bas›).


Titelbild Christian Bobin gast bei TV-Sendung „La Grande Librairie“, Screenshot

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