Vom 17. bis 20. November 2022 tagte der Haager Kreis, die internationale Konferenz für Waldorfpädagogik am Goetheanum. Ein Bericht.
Philipp Reubke berichtete im Kreis der Mitarbeitenden des Goetheanum vom Treffen des Haager Kreises, einem internationalen Kreis für Waldorfpädagogik. 40 Pädagogen und Pädagoginnen kamen dazu zusammen. Eine russische und eine ukrainische Lehrerin hätten in Freundschaft häufig nebeneinandergesessen. Interkulturalität als heutiges Kernthema entwickelte Michael Zech anhand Osteuropas zum Anfang der Neuzeit, wo viele Kulturen in einem staatlichen Gebilde miteinander lebten. Man dürfe auch an Waldorfschulen den Geschichtsunterricht nicht vereinfachen. Die amerikanischen Vertreterinnen betonten, dass Rassismus auch deshalb ein Thema bleibt, weil das Trauma der Ausrottung und der Versklavung weiter existiere. Alle müssten lernen, so miteinander umzugehen, dass man die seelischen und kulturellen Unterschiede wertschätze. Für die Kollegien bedeute es, aus der Menschenkunde in und aus der kulturellen Lage die Pädagogik neu und kreativ zu gestalten. Ein ungarischer Waldorflehrer berichtete, dass die Behörden für Schülerinnen und Schüler ab der vierten Klasse einen standardisierten Test eingeführt haben, der sich schädlich auswirke. Wie weit folgt man dieser gesetzlichen Vorgabe? Riskiert man den Entzug der Lehrerlaubnis? Ein Beispiel, so Reubke, an dem man den Zusammenhang von Gesundheit und Pädagogik sehe. Digitalität bzw. Mensch und Technik ist ein weiterer aktueller Schwerpunkt für das Gremium. Neben vielen anderen Fragen wie Bewegungsmangel oder Armut an Sinnenreizen verflache sich das Gefühlsleben. Er referierte Rudolf Steiners Hinweis, dass man gegenüber Maschinen mit dem Gefühl lebe, es sei möglich, sie vollständig zu verstehen. Es bleibt kein Geheimnis zurück, nichts führe zur Ehrfurcht, vielmehr gehe es um Beherrschung. Diese Stimmung übertrage man dann auf die Mitmenschen und meine, dass auch sie kein Geheimnis in sich trügen. Waldorfpädagogik arbeite deshalb daran, die Empathie- und Mitleidsfähigkeit zu schulen, um so die Gefühlstiefe zu steigern. Die russischen Vertreter beschrieben, wie ihre Kollegen und Kolleginnen unterschiedlich bzw. polar über den Angriff auf die Ukraine dachten und sich so ein Graben öffne, der das Gespräch sehr schwer mache. Ähnliche Spaltungen gab es an deutschsprachigen Schulen zur Zeit der Coronapandemie über die Frage, wie man sich gegenüber den verordneten Schutzmaßnahmen verhalten solle. Hier zeige sich erneut, wie wichtig die Zusammenarbeit und das gemeinsame Studium der Menschenkunde sei.