Wer kann den politischen Dialog heilen?

Die Homöopathie steht auf dem Prüfstand – unsere dialogischen Fähigkeiten auch.


Anfang Oktober kündigte der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach, ein ausdrücklicher Homöopathie-Gegner, die Überprüfung von homöopathischen Behandlungen als Satzungsleistung der gesetzlichen Krankenkassen an. Dem ‹Spiegel› sagte er dazu: «Obwohl die Homöopathie vom Ausgabenvolumen nicht bedeutsam ist, hat sie in einer wissenschaftsbasierten Gesundheitspolitik keinen Platz.» Lauterbach möchte, dass die gesetzlichen Krankenkassen aufhören, Homöopathie für ihre Kundinnen und Kunden zu bezahlen. Ob er damit Erfolg haben wird, ist unklar, denn der Zuspruch für die Alternativmedizin ist in der Bevölkerung anscheinend doch hoch. Trotzdem ist die Tatsache bemerkenswert, dass inmitten der schwerwiegenden Probleme – man könnte es ‹Krisen› nennen – im Gesundheitswesen ausgerechnet eine zahlen- und kostenmäßige Marginalie erneut ins Rampenlicht rückt. Mit der Pandemiepolitik der letzten Jahre ist nicht nur eine Diskussion um deren Verhältnismäßigkeit, sondern auch um die Bewertung von Wissenschaftlichkeit entbrannt. Eigentlich geht es um die Frage, wer sich auf die Wahrheit berufen kann und wer sie in Verruf bringt. Die Formulierungen, die auf den unterschiedlichen Seiten hervorstechen, entrücken das Politische in religiöse Bereiche: von «Kreuzzügen» gegen die Homöopathie oder «Glauben» an Zuckerkügelchen ist die Rede. In einer persönlichen Beziehung würden diese Umgangsformen als abwertend, sogar als missbräuchlich und verantwortungslos erkannt werden – öffentlich ist es normal, alle, die ich nicht verstehe, zu diffamieren, um ihnen die Diskursberechtigung abzusprechen. Politik ist aber kein religiöser Wettstreit; es geht nicht um die Durchsetzung von Dogmen. Sie existiert nur in dialogischer Form überhaupt, indem sich Menschen als Gemeinschaft begreifen, in der niemand die Wahrheit für sich beanspruchen kann. Die Frage, wer an was glaubt, ist politisch irrelevant. Entscheidend für eine Demokratie ist nur, wie ich über das sprechen kann, was ich nicht weiß.


Foto: Xue Li

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