In memoriam Markus Kühne, alias William Cohn (1957–2022), der seine ersten Schritte auf der Bühne in der CabaReTorte Denger Dornach am Goetheanum machte.
Der Manager Gerd Fischer erinnert an Cohns TV-Karriere: «Seine hässlichen Pullover, seine nerdige Brille und seine pointierten Texte haben ihm als Sidekick von Jan Böhmermann […] zum Durchbruch verholfen.» Und weiter: «Sein Paradestück blieb jedoch zeit seines Künstlerlebens die Rolle des intriganten Waffenhändlers Kaspar im Erfolgsmusical ‹Ludwig›. Seit der Welturaufführung im Füssener Festspielhaus 2005 verlieh er der Rolle in weit über 600 Shows Charakter, Stimme und Volumen. Nun hat er die Bühne, die ihm so viel bedeutete, für immer verlassen.»
Es muss 1991 gewesen sein, da stand der 65. Geburtstag des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft an. Man wollte für ihn eine Feier im Foyer des Goetheanum ausrichten. Da manche wussten, dass er als junger Mann in Berlin in Kabaretts Klavier gespielt hatte, fragte man die begnadete Eurythmistin Roswitha Schumm und mich, ob wir einige Nummern für ihn schreiben und zum Besten geben wollten. Sie hatte noch eine Generation davor mit Proskauer und Thomalla den Hügel kabarettistisch bearbeitet, und auch meine Neigung, in Dornach aus gesundheitlichen Gründen humoristisch zu überleben, war bekannt. So stellte ich aus dem Nichts eine kleine Truppe zusammen: Mir war Markus Kühne, der damals als Ingenieur und Sicherheitsbeauftragter am Goetheanum arbeitete, wegen seines Humors, seines ansteckenden Lachens und vor allem seiner vollen baritonalen Stimme mit einem wienerisch gefärbten Timbre, das entfernt an den legendären Helmut Qualtinger und seine Mischung zwischen Gemütlichkeit und Abgründigkeit erinnerte, aufgefallen. Unsere beiden Frauen, Ursula Kühne-Wessels und Angeli Denger-Richter, spielten gerne mit und wir wurden wesentlich unterstützt durch Hartwig Joerges am Klavier und Heiko Dienemann an den Scheinwerfern. Ich schrieb alle Texte und so war die CabaReTorte Denger Dornach geboren.
Wir bespielten in der Folge mit dem Programm ‹Schicksal light› das ehemalige Dorfkino beim Bahnhof mit roten Plüschstühlen und einer wunderbaren Last-picture-show-Atmosphäre. Wir hatten viel Spaß zusammen und vor allem Markus blühte richtig auf, wenn wieder eine Aufführung anstand. Im Laufe der Zeit entwickelte unser Kabarett auch ganz unbeabsichtigt eine soziale Funktion in der Begegnung zwischen ‹dem Dorf› und ‹dem Hügel›, denn unsere Nummern waren sowohl allgemein zeitkritisch als auch die Anthros – also uns – auf den Arm nehmend. Markus und ich bedienten uns auch gerne der Form der ‹Doppelconference›, einer Kabarettnummer, die aus einem Dialog zwischen einem Klugen und einem Blöden besteht. Ich war natürlich immer der Blöde.
Unvergessen auch die Verwandlung, frei nach Kafka, in der Markus eines Morgens in einen riesigen Big Mac verwandelt erwacht und zum Idol einer ganzen Generation wird, die in die Big-Mac-Tempel strömt und stehend am Tresen Brötchen und Limonade empfängt: «Nun kommst du, Toast der ganzen Welt!» Am Schluss stürzen sich alle auf ihn und beißen sich fest. Das sagenhafte Kostüm stellten die Bühnenbildner her. Oder die Nummer ‹Freie Fahrt für freie Bürger›, in der er mit seiner Frau im Stau stand. Sie: «[…] und alle lassen wieder den Motor laufen. Es ist doch Wahnsinn, was wir mit den fossilen Brennstoffen unserer Erde machen. Leichenfledderei ist das! Durch die Auspuffe erleben die Saurier von damals ihre Auferstehung und es legt sich ein Megasaurier über die ganze Welt!» In der Gemeinde Dornach gab es damals einen Plan mit markierten anthroposophischen Haushalten. Wir spürten dem Rätsel nach, wie die das eigentlich feststellen, waren als zwei Gemeindedetektive unterwegs, leuchteten mit unseren Taschenlampen einzelnen Zuschauern ins Gesicht und berieten, was dafür und was dagegen sprach. «Was mainsch? Isch das aine?» Natürlich mit Vorliebe bei prominenten Anthroposophen wie Schmidt-Brabant, der bei uns Schulz-Trabbi hieß.
Später verloren Markus und ich uns aus den Augen. Ich zog nach Deutschland und er schlug auch andere Wege ein. Eines Tages zappte ich bei Jan Böhmermann rein und staunte nicht schlecht, ihn, der inzwischen als William Cohn unterwegs war, da zu sehen. Er hatte Schauspiel- und Gesangsunterricht genommen und unseren Spaß von damals zum Beruf gemacht. In Anbetracht seines Todes werde ich nachdenklich: Wieso haben wir damals nicht weitergemacht? Ich meine mich zu erinnern, dass er es mir etwas übel genommen hatte, dass ich unter anderem aus organisatorischen Gründen mit den weiteren Programmen ‹Die Gesamtsumme des Glücks› und ‹Haben Sie auch Angst, unsterblich zu werden› nur noch solo unterwegs war. Warum hat er später Ernst gemacht mit dem Humor und ich nicht? Ich weiß es nicht. Gerne gedenke ich seiner. Wir hatten eine gute Zeit, lieber Markus. Ich hoffe, dass du dich jetzt gut amüsierst, wenn du auf die Erde schaust. Es gibt so viel Grund dazu! Herzlich Johannes