Der Sommer hat seine Magie. Der Atem des Lebens lässt sich unwiderstehlich durch die Ekstase der Natur spüren. Selbst für einen überzeugten Materialisten blitzt unauffällig Immaterielles plötzlich auf.
Thomas Durand ist ein ausgebildeter Biologe, ein erfolgreicher Youtube-Influencer. Als Verfechter einer materialistischen Weltanschauung zählt er zu den eifrigen Leadern der ‹Zetetiker› – so werden in Frankreich die ‹Skeptiker› genannt. Vor ein paar Jahren hatte er auf seinem Youtube-Kanal einen besonders kritischen und verzerrenden Beitrag über Anthroposophie veröffentlicht, der zu einem der meistgesehenen Videos zu diesem Thema wurde. Thomas Durand arbeitet hart daran, das, was er für ‹Pseudowissenschaften› hält, zu bekämpfen – wie die Homöopathie und vor allem die Anthroposophie, die für ihn der Gipfel der Ketzerei ist.
Unser erfolgreicher Publizist hat diesen Sommer ein sehr interessantes Video geteilt.1 Darin berichtet er ‹live› von seiner Pilgerreise in Kalifornien zu Methusalem, dem weltweit ältesten Baum. Das Alter von Methusalem und einigen anderen Bäumen, die ihn umgeben, wird auf über 4000 Jahre geschätzt. Als Thomas sich diesem Ort nähert, erzählt er von dem Gefühl der Verehrung, das ihn durchströmt, aber auch von den Gedanken, die diese Begegnung in ihm weckt.
Er erzählt, wie die Beobachtung dieser uralten Bäume, deren lebende Teile mit bereits längst abgestorbenen Teilen koexistieren, ihn zu Überlegungen über den Begriff von ‹Individualität› führt. Er vergleicht dann den tierischen und den pflanzlichen Organismus. Die Pflanze schaffe nur Flächen, während das Tier Volumen bilde. Das Tier habe einen in sich geschlossenen Organismus, bei dem jeder Teil unentbehrlich sei. Die Pflanze sei völlig dezentralisiert und habe keine unentbehrlichen Organe – sie öffne kopfüber ihre Eingeweide und Sexualorgane zum Himmel und zur Umwelt hin. Die Pflanze sei wie ein Tier, das man umgestülpt habe … Wenn man den Ausführungen von Thomas Durant zuhört, erhält man nach und nach den Eindruck, an einer kleinen phänomenologischen Vorlesung teilzunehmen – etwas von den formgebenden Prinzipien, die in der Pflanze und im Tier aktiv sind, wird sichtbar.
Wie erfreulich ist es, wenn ein Bekämpfer der Anthroposophie, während er sich einem außergewöhnlichen Naturphänomen hingibt, unbemerkt selbst mit der Methode der Anthroposophie beginnt. Hier zeigt sich, dass die anthroposophische Praxis keine bodenlose Extravaganz ist. Sie wächst wie selbstverständlich, wenn innere Hingabe, exakte Beobachtung und vorurteilsfreies Denken sich zusammen den Phänomenen hinwenden.
Bild Yen Chao, Methuselah, White Mountain, California, CC