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Anspruch: Eine Wirklichkeit

Ich erlebe es immer wieder: Ich sitze oder stehe einem anderen gegenüber, höre ihm zu und verstehe, was er sagt – und doch verstehe ich nicht, was er sagt, denn ich fühle mich nicht angesprochen.


Ich kann seinen Worten folgen, aber nicht ihm. Ähnlich geht es mir, wenn ich andere überzeugen will: Plötzlich bemerke ich, dass die Sackgasse, in die wir geraten sind, sicher nicht dadurch zu durchbrechen ist, dass ich weiter auf den anderen einrede. Wenn überhaupt, dann besteht eine Wendemöglichkeit darin, ihn anzusprechen.

Ich fühle mich von anderen angesprochen, wenn ich das Gefühl habe, dass sie sowohl von sich als auch für mich sprechen. Wer bloß grammatisch einwandfreie Ich-Botschaften sendet, der füllt nicht selten Ego-Sprechblasen aus, die weder Ich- noch Du-Botschaften beinhalten. Es geht nicht darum, anderen die eigenen Befindlichkeiten aufzudrängen, sondern darum, ob die Sprache einen Raum der Ansprache öffnet, der Ich und Du sich ansprechend begegnen lässt.

Reden lassen sich vorbereiten, die Ansprache nicht. Sie adressiert andere immer höchstpersönlich, weshalb stets offenbleibt, ob sie gelingt. Gelingen tut sie, wenn es mir gelingt, mich selbst und andere in der Sprache zum Klingen zu bringen. Ich kann noch so ansprechend sprechen: Erst wenn die Sprache ein Du berührt, das sich angesprochen fühlt, bleiben wir nicht länger in unseren Sprechblasen gefangen.

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