Seelenstark und warmherzig

Im Sommer-Rundbrief der Sektion für Landwirtschaft berichtet Cristina Lieberherr vom biodynamischen Hof Potutory in der Nähe von Lviv, Ukraine.


Frauen und Kinder aus bombardierten Städten finden auf dem Hof Zuflucht und helfen mit. Cristina Lieberherr berichtet exemplarisch von Natasha Zhazdova, einer ‹Mitbewohnerin auf Zeit›: Von ihren vier Kindern sei die älteste in die Schweiz gefahren, um dort ukrainische Kinder zu betreuen. Der älteste Bruder starb bei einem Unfall und sei «immer um Nathalie und die Familie». Stepan, das dritte Kind mit dem Down-syndrom, überrasche durch seine Unmittelbarkeit. Er sei «wie ein Wesen aus einer anderen Welt». Mattwey, der Jüngste, sei mathematisch begabt und beherrsche das Spiel mit dem farbigen Zauberwürfel. Täglich um fünf Uhr veranstalte Natasha eine Friedensmeditation auf dem Hof, die, so Cristina Lieberherr, zeige, dass sie eine gute Priesterin wäre. Noch viel mehr sei sie eine ‹richtige Urmutter: seelenstark, warmherzig und Geborgenheit gebend›.

Natasha erzähle begeistert von ihrer Kindheit und Jugend, die sie in der Sowjetunion erlebt hat. Es sei eine ideale Welt gewesen mit guten Lehrern und Lehrerinnen, die Interesse für die Welt vorgelebt hätten. Natashas Mutter Sina schilderte ein ‹gutes Leben› in den letzten Jahren der Sowjetunion. Natasha selbst: «Was machen wohl die Russen auf unserer ukrainischen Erde? Es gibt keine Antwort. Heute habe ich im Wald Heilkräuter gesammelt. Wie schön, frei, ruhig. Warum sind die Russen hierher gekommen, um zu bombardieren? Wahrscheinlich ist ihr Land klein und es gibt dort zu wenig zu umsorgen? Ich verstehe nicht. Es gibt keine kleinen Leute – die Gedanken von jedem haben Bedeutung. Und fast alle aus ihrem Land haben den Krieg unterstützt. Wozu braucht ihr das alles, ihr Russen? Wenn ihr nicht unterstützen und Tausende von Menschen hierherschicken würdet, die all das tun, was wäre dann? Was denn, ihr Russen, werdet ihr nachher machen. Wie werdet ihr denn leben? Ich weiß es nicht. Vor sich haben die Russen nur Leere. Und nur feine Fäden ziehen sich noch von Herz zu Herz, zwischen Verwandten und Freunden, ebenso wie in der Verbindung zwischen unseren Ländern. Dünne Fäden, die vor Anstrengung, dass sie halten, zittern, aber dennoch reißen – drinnen. Mit einem schrecklichen Schmerz in meinem Herzen. Ich bemühe mich, diese Fäden zu schützen, mit allen Kräften meiner Seele.»


Aus Cristina Lieberherr, ‹Einblick in den Alltag auf dem biodynamischen Hof Potutory›, im Rundbrief der Sektion für Landwirtschaft Nr. 121

Bilder Felder, Beete und Menschen der Hof Potutory. Fotos: Cristina Lieberherr

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